Ein delikater Liebesbrief
bildschönes Kind, ein Wunder.« Sie zögerte kurz, dann gestand sie: »Ich an Ihrer Stelle würde mich keinen Deut darum scheren, wenn ich keinen Vater für mein Kind hätte!«
Esme nahm Henriettas zarte Hand. »Sind Sie absolut sicher, dass Sie kein Kind austragen können?«
»Ja. Aber Sie sollen nicht glauben, dass ich deswegen kreuzunglücklich wäre, denn das bin ich nicht, zumindest nicht oft. Sollte man jedoch ein Baby in meine Obhut geben, dann würde ich die Umstände seiner Geburt gewiss nicht allzu kritisch hinterfragen.«
»Ich vermute«, sagte Esme nachdenklich, »dass ich mein schäbiges kleines Geheimnis niemand Besserem als Ihnen anvertrauen konnte.«
»Ich fürchte, eine der Folgen meines Gebrechens ist, dass ich mir schonungslose Offenheit angeeignet habe. Ich verbringe viel Zeit mit der Beobachtung meiner Mitmenschen und neige daher zu ausgefallenen Ansichten. Meine Schwester beschwert sich ständig darüber, dass ich immer verschrobener werde.«
»Sicherlich würden die meisten Frauen meiner Bekanntschaft mich ein Ungeheuer nennen, wenn ich ihnen erzählte, was ich Ihnen gestanden habe«, sagte Esme und sah Henrietta neugierig an. »Um ehrlich zu sein, kann ich kaum glauben, dass ich es überhaupt erzählt habe.«
»Ich werde es keiner Menschenseele verraten. Außerdem bitte ich Sie, keinen weiteren Gedanken auf Mr Darbys mögliche Enterbung zu verschwenden. Denn er ist erwachsen und kann für sich selbst sorgen.«
» Sie sollten ihn heiraten«, schlug Esme unvermittelt vor. »Er hat doch die Kinder, nach denen Sie sich sehnen, und Sie … Sie sind eine bemerkenswert schöne Frau, Henrietta, ein Vorzug, den Darby sehr zu schätzen wüsste.«
»Warum sollte ich einen Mann heiraten, der Spitzenmanschetten trägt und von Äußerlichkeiten besessen ist?«
Esme, die ihr Gegenüber jetzt genau beobachtete, stellte zum ersten Mal fest, dass Henrietta ein wunderschönes Lächeln besaß. »Eigentlich ist er ganz anders. Ich weiß, ihm haftet der Ruf an, außerordentlich affektiert zu sein, und seine Kleidung wählt er stets mit größter Sorgfalt, doch Darby ist einfühlsam. Bitte denken Sie wenigstens über meinen Vorschlag nach!«
»Er hat mich nicht gefragt«, betonte Henrietta. »Und er wird es auch nicht tun. Männer wollen eigene Kinder. Ich werde niemals heiraten.«
»Ach, Darby doch nicht! Darby kann Kinder nicht ausstehen. Sie hätten nur seine Ansichten über Kinder hören sollen, bevor er die Verantwortung für seine Schwestern übernahm. Können Sie sich wirklich vorstellen, dass Darby sich für eines dieser rotfleckigen kahlköpfigen Menschlein interessiert, die Sie mir gerade beschrieben haben?«
»Die Vorstellung fällt tatsächlich schwer«, gab Henrietta kichernd zu.
Esme drehte den Kopf. »Ah, da kommt er ja gerade! Darby, Ihre Meinung ist gefragt: Was halten Sie von Kindern?«
Im Lichte des Morgens erschien Darby noch eleganter als am Vorabend, wenn dies überhaupt möglich war. Seine Weste war kunstvoll bestickt und seine Handgelenke zierten die unvermeidlichen Spitzenmanschetten.
Er stutzte zunächst, dann verneigte er sich. Selbst seine kleinsten Gesten waren von einstudierter Eleganz. »Wenn ich Ihnen sagte, dass ich mich heute bereits einmal umziehen musste, da Anabel über den unseligen Hang verfügt, ihr Frühstück in alle Richtungen zu spucken, würde dies als Antwort genügen? Einen guten Tag wünsche ich, Lady Henrietta.« Er verneigte sich vor seiner Tante, und Henrietta sah, dass er ihr tränenbeflecktes Gesicht bemerkte.
»Wenn Anabel Ihr eigenes Kind wäre, würden Sie vielleicht anders darüber denken«, gab Esme zu bedenken.
Darby überlief ein Schauder. »Wohl kaum. Mir liegt weder an der Verantwortung noch an der Plackerei, die man gemeinhin mit Kindern verbindet.« Er machte tatsächlich einen geplagten Eindruck.
Henrietta konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. »Kinder bedeuten doch nicht unbedingt harte Arbeit! Die meisten Väter bekommen ihre Kinder ohnehin selten zu Gesicht und mischen sich so gut wie nie in deren Erziehung ein.«
»Mag sein«, erwiderte Darby knapp. »Ich darf jedenfalls behaupten, dass ich keinerlei Interesse daran habe, mich fortzupflanzen.«
Wenn er nicht so ein energisches Kinn besäße, hätte Henrietta ihn für leichtfertig gehalten und fortan ignoriert. Da dem aber nicht so war, konnte sie nicht umhin, seine kraftvollen Beine zu bemerken. Kein Gentleman in Wiltshire wusste seine Beinkleider so elegant zu tragen wie
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