Ein delikater Liebesbrief
Augen.
»Ungefähr ein Jahr später hatte ich meine Affären satt. Doch bis dahin benutzte ich einen sogenannten Schwamm, ein ganz simples Mittel, um eine Empfängnis zu verhüten. Offen gesagt finde ich die Empfehlung, dass Sie nicht heiraten dürfen, überaus dumm. Da es den Schwamm und noch andere Methoden zur Verhütung einer Schwangerschaft gibt, muss Ihr Leiden nicht zwangsläufig ein Hindernis für eine Ehe darstellen. Ich bin erstaunt, dass Darby Ihre Stiefmutter nicht darauf aufmerksam gemacht hat.«
Die Hoffnung, die kurz in Henriettas Brust aufgekeimt war, erstarb. »Darby hat wohl nicht ernsthaft erwogen, mich zur Frau zu nehmen. Denn er weiß doch sicher über derlei Methoden Bescheid.«
»Aber natürlich kennt er sie! Tatsache ist, dass das männliche Gehirn oft nicht vernünftig denkt. Er setzt vermutlich voraus, dass eine Dame solche Methoden nicht anwendet oder so prüde ist, dass ihre züchtigen Ohren nichts dergleichen hören wollen. Ich jedoch habe den Schwamm mit Erfolg benutzt und bin fest davon überzeugt, dass auch andere Damen ihn verwenden. Überlegen Sie doch einmal: Wie viele Frauen kennen Sie, die nicht mehr als einen Stammhalter und einen zweiten Sohn als Ersatz geboren haben? Also funktioniert die Methode. Für mich auf jeden Fall.«
»Warum hat man mir denn nie jemand davon erzählt?«
Esme schaute verzagt drein. »Vielleicht musste sich erst eine gefallene Frau finden, die solche Geheimnisse preisgibt. Keine der Nähkränzchen-Damen würde über derlei Themen sprechen, Henrietta, weil sie für höfliche Konversation eben ungeeignet sind.« Sie überlegte kurz. »Außerdem herrscht die allgemeine Meinung vor, dass Frauen ohnehin keinen Spaß an der körperlichen Liebe haben oder haben sollten.«
»Ich weiß, dass sie ein unangenehmer Vorgang ist.«
Plötzlich lachte Esme. Es war jenes leise kehlige Lachen, das jeden Mann von London bis Limpley Stoke vor ihr auf die Knie gehen ließ. »Ich überlasse es gern meinem eleganten Neffen, Ihre Meinung zu diesem Thema zu ändern, Henrietta. Glauben Sie mir, anfangs ist es unangenehm, danach jedoch das pure Vergnügen. Wenn man einer Frau jedoch einredet, dass die körperliche Liebe unangenehm sein muss , dann wird es ihr schwerfallen zuzugeben, dass sie sich ihr aus anderen Gründen als der Empfängnis hingibt.«
»Das erscheint mir nur logisch.«
Wieder lachte Esme. »Ich kann’s nicht fassen, dass wir so ein Gespräch führen! Alle meine besten Freundinnen sind verheiratet, doch bis vor Kurzem hat keine von ihnen mit ihrem Ehemann zusammengelebt. Folglich hatten wir nie Gelegenheit, so freimütig miteinander zu sprechen.«
» Keine Ihrer Freundinnen hat mit ihrem Mann zusammengelebt?«
»Dass ich nicht mit Miles zusammengelebt habe, wissen Sie. Und der Ehemann meiner Freundin Gina hat doch tatsächlich vor zwölf Jahren, kurz nachdem sie miteinander verheiratet wurden, England verlassen. Bei ihr liegt der Fall so, dass sie nicht nur allein lebte, sondern auch die Ehe nicht vollzogen wurde.« Sie schwieg und grinste breit. »Jetzt ist das Bild natürlich ein vollkommen anderes: Gina und Cam sind kurz vor Weihnachten aus Griechenland zurückgekehrt.«
»Mit Gina meinen Sie die Herzogin von Girton, oder?« Henrietta versuchte, die genannten Personen einzuordnen. »Die Frau, die mit Ihrem … mit Marquis Bonnington verlobt war.«
»Ganz recht. Und von Carola und ihrem Mann Tuppy habe ich Ihnen ja bereits erzählt. Sie sind wieder vereint und kommen morgen zu einer Stippvisite. Helene, die Gräfin Godwin, haben Sie ja bereits kennengelernt. Ihr Ehemann ist ein Wüstling«, urteilte Esme und zog eine Grimasse. »Rees hat eine junge Opernsängerin in das eheliche Haus aufgenommen und davor waren sechs russische Balletttänzerinnen bei ihm Dauergäste. Davon abgesehen ist er Darbys bester Freund.«
»Meine Güte!«, stieß Henrietta mit kläglicher Stimme hervor. »Ist Darby in seinem Privatleben etwa auch so schamlos wie sein Freund?«
»Oh nein, Darby ist in allem, was er tut, sehr diskret. Er und Rees sind schon seit ihrer Kindheit befreundet. Ich finde wirklich, dass Darby und Sie gut zueinanderpassen. Da wir ja ganz offen sprechen: Er braucht Ihr Erbe und Josie braucht Sie als Mutter. Ich muss gestehen, dass ich das Märchen von den kleinen Stiefeln, die ihre Mama suchen, einfach rührend fand. In der Mitte hätte ich fast angefangen zu weinen.«
»Das wäre ja mal etwas ganz Neues gewesen«, bemerkte Henrietta leicht ironisch.
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