Ein delikater Liebesbrief
Deut um Ihr Gebrechen und dessen etwaige Folgen zu scheren. Nein, für Mrs Colby wäre das Wichtigste, dass der Skandal zu einem hübschen kleinen Paket geschnürt und beseitigt wird!«
»Ich erkenne nur nicht, welche Art von Beweisen wir unter den gegebenen Umständen vorlegen könnten.«
»Ach, zum Beispiel einen Brief«, sagte Esme leichthin. »Ein Brief oder ein Gedicht wären vollkommen ausreichend. Einige Verse würden dem Ganzen natürlich eine elegante Darby-typische Note verleihen.«
Henrietta machte große Augen und Esme bemerkte ihre Reaktion sofort. »Er hat Ihnen bereits geschrieben!«
»Nein.«
»Aber Sie haben etwas in der Hand, nicht wahr? Etwas, das wir als Beweis benutzen könnten?«
»Nun …«
»Was?«, verlangte Esme zu wissen.
»Es ist mir peinlich«, gestand Henrietta.
»Wie peinlich kann es denn schon sein? Ich habe Ihnen eben doch auch meine ganze schändliche Vergangenheit gestanden!«
Henrietta musste zugeben, dass dies der Wahrheit entsprach. »Ich habe mir selber einen Brief geschrieben. Von Darby , wenn Sie verstehen, was ich meine.«
»Sie haben sich selbst einen Brief geschrieben? Warum denn nicht gleich einen Brief an Darby, wenn Sie schon in literarischer Stimmung waren?«
»Ich hatte wohl zu viel Champagner getrunken. Ich träumte von Liebesbriefen, die Freundinnen von mir erhalten hatten. Und da dachte ich … nun ja, ich bin eine Frau, die wohl niemals einen Liebesbrief bekommen wird, nicht wahr?«
Esmes Augen trübten sich. »Das ist ja so traurig .«
»Also habe ich mir selbst einen Brief geschrieben«, beeilte sich Henrietta zu sagen, bevor die Freundin erneut in Tränen ausbrechen konnte. »Und glauben Sie mir, mein Brief ist besser als der jedes Mannes.«
Esme, der schon wieder die Tränen gekommen waren, fing stattdessen an zu lachen. »Da sagen Sie einmal etwas Wahres! Ich habe Hunderte von Briefen erhalten, aber nicht einer war das Papier wert, auf dem er geschrieben stand.« Abgesehen vielleicht von der Notiz ihres Gärtners, die sie unter ihrem Kopfkissen hütete. In der kein einziges Wort von Liebe stand.
»Ich halte meine Zeilen für einen Musterbrief seiner Art«, gestand Henrietta, die nun ebenfalls lachte. »Ich zitiere darin sogar große Poesie …«
»Wen? Shakespeare?«
»John Donne.«
»Donnes Liebessonette? Bin ich froh, dass ich in Ihre Nähe gezogen bin! Ich hätte nicht geglaubt, dass es in Limpley Stoke eine Menschenseele gibt, die Donnes frühe Gedichte kennt.«
»Nun, ich schon.«
»Außerdem glaube ich zu erraten, dass Darby sie auch gelesen hat. Ich hoffe, Sie haben aus dem Vollen geschöpft und eine gemeinsam verbrachte Nacht erwähnt?«
Eine leichte Röte trat auf Henriettas Wangen. »Ja, das habe ich.«
»Sehr gut! Dann sollte es klappen. Wir beginnen gleich bei meinem Dinner, den Plan in die Tat umzusetzen. Das Wichtigste sind die Gäste und die Sitzordnung.«
Sie schwieg einen Moment lang.
»Ich lade die Cables ein«, sagte sie schließlich.
»Myrtle Cable?«, fragte Henrietta ungläubig. »Sie scherzen! Selbst meine Stiefmutter, die sanftmütigste Frau der Welt, möchte Mrs Cable nicht als Gast bei einem Dinner im engsten Kreise sehen. Jeder zweite Satz von ihr ist ein Bibelzitat. Ist Ihnen das noch nicht aufgefallen?«
»Das ist doch ausgezeichnet«, sagte Esme zufrieden. »Und den Vikar lade ich gleich mit ein. Wir sind ohnehin knapp an Männern, da Helene morgen zurückkehrt. Und Darby wird als Familienoberhaupt am Kopf des Tisches sitzen, somit haben Sie keinen Tischherrn. Der Vikar kann sich Ihrer Stiefmutter annehmen und er wird sicherlich nicht erfreut sein über skandalöse Begebenheiten im Pfarrbezirk.«
»Das bezweifle ich«, entgegnete Henrietta. »Er ist kein Vikar, der sich großartig einmischt.«
»Zu schade«, meinte Esme. »Mrs Cable wird seine Zurückhaltung jedoch mehr als wettmachen. Und was den Brief angeht, so wird uns Carola helfen. Wir werden es folgendermaßen anstellen …«
23
Eine Insel, eine Nymphe und du
Die Speisenfolge musste festgelegt werden. Der Koch hatte bereits um eine Unterredung gebeten, da er sich außerstande sah, genug Forellen aufzutreiben, deshalb änderten sie das Menü. Überdies musste sie mit dem Butler die Sitzordnung und mit der Wirtschafterin die Tischkärtchen absprechen. Warum hatte sie sich überhaupt Gäste aufgehalst? Sie sollte ruhig und zurückgezogen leben und keine Abendveranstaltungen geben. Doch nun war es zu spät. Da Esme sich im ersten Monat nach
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