Ein delikater Liebesbrief
Esme hielt sie zurück und nahm ihre Hand.
»Darf ich Ihre Stieftochter noch eine Stunde bei mir behalten?«, fragte sie Lady Holkham.
»Nein!«, stieß Henrietta ein wenig heftiger hervor, als sie beabsichtigt hatte.
»Nicht zum Essen«, versicherte Esme und teilte damit den Damen unausgesprochen mit, dass Darby am Abend im Salon erwartet werde. »Meine liebe Freundin Lady Perwinkle und ihr Ehemann wollen mir einen Besuch abstatten, und ich wäre Henrietta höchst dankbar, wenn sie mir bei den Vorbereitungen für ein Dinner zu ihren Ehren helfen würde. Selbstverständlich wird es nur eine kleine ruhige Veranstaltung werden, da ich ja in Trauer bin.«
Henrietta erweckte den Anschein, als wollte sie erneut ablehnen. Demonstrativ legte Esme eine Hand auf ihren unförmigen Bauch. »Es fällt mir derzeit so schwer, die nötige Kraft für alles aufzubringen«, sagte sie traurig.
»Henrietta wird Ihnen auf jede erdenkliche Weise helfen«, versicherte Millicent. »Ich schicke den Wagen in einer Stunde, ist Ihnen das recht?«
»Also«, begann Esme, sobald sich die Tür hinter Lady Holkham geschlossen hatte. »Sie und Darby haben also überhaupt nichts gemeinsam, wie?« Ihre Augen funkelten vor Vergnügen.
»Ich darf nicht heiraten, weder Darby noch sonst jemanden«, sagte Henrietta zurückhaltend. Sie fürchtete, in Tränen auszubrechen, wenn sie ihre Lage näher erläuterte.
»Ich wollte schon seit einiger Zeit mit Ihnen darüber sprechen.« Esme ließ sich schwer auf eine Couch fallen. »Soweit ich weiß, können Sie nicht heiraten, weil sie aufgrund des Zustandes Ihrer Hüfte kein Kind empfangen und austragen dürfen, nicht wahr?«
»Ganz genau«, erwiderte Henrietta. Mutlosigkeit drohte sie zu überwältigen. Sie zuckte die Achseln. »Nachdem meine Stiefmutter Darby meine missliche Lage erklärt hatte, hat er seinen Antrag zurückgezogen – falls er überhaupt jemals die Absicht hatte, mir einen zu machen.«
»Natürlich wollte er das. Gentlemen – und Darby ist ein Gentleman – pflegen eine Frau nicht am helllichten Tag gegen eine Kutsche zu drücken, wenn sie nicht die Ehe im Sinn haben.«
»Nun«, meinte Henrietta trübsinnig. »Vielleicht dachte Darby aus Mitleid darüber nach, mich zu heiraten.«
Esme beugte sich vor. »Darf ich ganz offen sprechen, Henrietta?«
Sie nickte.
»Was ich Ihnen jetzt verraten werde, findet die Gesellschaft unerhört, aber glauben Sie mir, die Praxis ist weit verbreitet. Es gibt Möglichkeiten, die Empfängnis einzuschränken, und damit meine ich nicht eheliche Abstinenz.«
»Wirklich?«
»Es gibt verschiedene Methoden. Hätten Sie etwas dagegen, wenn ich Sie schockiere, indem ich noch deutlicher werde?«
Darüber konnte Henrietta nur ein wenig unsicher lächeln. »Bis jetzt fand ich Ihr Verhalten nicht allzu schockierend. Ich habe auch schon weinende Frauen gesehen, bevor Sie nach Limpley Stoke kamen.«
»Schämen Sie sich! Nun, die Wahrheit ist, dass Sebastian Bonnington nicht der erste Mann in meinem Bett war – abgesehen von meinem Ehemann, meine ich.«
»Oh.«
Esme wurde allmählich verlegen, doch sie fuhr tapfer fort. »Als Miles mich verließ, war ich außer mir vor Zorn. Ich wollte, dass er mich wieder beachtete, und versuchte, auf jede erdenkliche Weise seine Aufmerksamkeit zu erregen. Ich habe mit jedem Gentleman geflirtet, der sein Interesse bekundete. Ich bin mit keinem ins Bett gegangen, habe aber vor aller Welt so getan, als wäre dies der Fall gewesen. Verstehen Sie, warum ich das tat, Henrietta?«
»Ich denke schon. Sie wollten Ihren Mann wütend machen. Hatten Sie Erfolg?«
»Nein«, gestand Esme ein wenig traurig. »Nein, Erfolg hatte ich nicht. Sie müssen verstehen, dass wir als Paar nicht wirklich zueinanderpassten. Mein Vater bestand darauf, dass ich Miles heiratete, und Miles wusste, dass ich zu der Ehe gezwungen worden war. Er war der liebste und beste Mensch der Welt. Mein anstößiges Benehmen trug dazu bei, dass er sich noch schuldiger fühlte, und er fand wohl, er hätte kein Recht, mich für meine Schamlosigkeit zu tadeln. Wann immer wir einander begegneten, war er ein Musterbeispiel an Höflichkeit.«
»Ich nehme an, das hat Sie nur noch wütender gemacht.«
»Ja … ich war eben sehr jung und töricht. Schließlich landete ich im Bett eines etwas älteren Gentlemans, der in diesen Dingen erfahrener war als ich. Er hatte etwas besorgt, mit dem sich eine Schwangerschaft verhindern ließ.«
Henrietta machte große
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