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Ein Dicker Hund.

Ein Dicker Hund.

Titel: Ein Dicker Hund. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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überdeutlich, daß ihr Versuch vom Vorabend, ihre Augenbrauen auszuzupfen, ein Fehler gewesen war. Sie holte sich einen Stuhl und setzte sich zu Miss Midden in den Garten.
    »Also, Phoebe, ich muß dir etwas erzählen. Darum möchte ich, daß du genau zuhörst. Leider habe ich deine Gastfreundschaft ausgenutzt«, sagte sie und reichte Miss Turnbird eine sehr große Tasse samt Untertasse. »Bei mir war ein ganz netter Junge untergebracht. Er hatte einen Nervenzusammenbruch und ist ein wenig schreckhaft. Als daher heute morgen das Remmidemmi in Middenhall losging ... Nein, Liebes, sag nichts. Ich möchte nicht darüber reden. Diese Sache ist weit wichtiger. Wie gesagt, als die Polizei anfing, da unten die vielen Menschen umzubringen, dachte ich sofort an dich, und daß Carryclogs der ideale Ort zur Unterbringung dieses armen Jungen ist. Na ja, ehrlich gesagt, eigentlich ist er kein Junge, eher ein achtundzwanzigjähriger stämmiger Riese und nicht besonders helle. Er heißt zwar Timothy Bright, ›bright‹ wie helle, aber das ist er nicht. Das trägt zu seinen nervlichen Problemen mit bei. Er war mal wer in der Londoner City, und der Streß hat ihn ganz schön mitgenommen. Er leidet an schrecklichen Alpträumen, was mich gar nicht überrascht. Niemand sollte einen gesunden jungen Mann den lieben langen Tag vor einen Computerbildschirm setzen und ihn blitzschnelle Entscheidungen treffen lassen, bei denen es um viel Geld geht.
    Das ist unnatürlich. Na, da die Zeit bekanntlich alle Wunden heilt, und wenn er liebevolle Zuwendung, viel zu essen und frische Luft bekommt – bestimmt schießt und reitet er gut, er ist einfach der Typ –, wird er bald wieder auf dem Damm sein. Darum hab ich ihn rüber in dein Haus geschickt, weil ich weiß, wie gut und freundlich und liebevoll du bist. Außerdem hat er deine Klasse. Ich habe seinen Onkel kennengelernt, und er kommt aus einer wirklich sehr guten Familie. Und recht gute Manieren hat er auch. Bestimmt kannst du dem armen Jungen helfen. Hoffentlich nimmst du mir nicht übel, daß ich dich so ausgenutzt habe, aber ich dachte ...«
    Was Miss Midden wirklich dachte, behielt sie eisern für sich. Wenn Phoebe Turnbird diesen gräßlichen Flegel nicht an ihren üppigen Busen drückte und zum Altar schleifte, hieß sie selbst nicht Marjorie Midden, Tochter von Bernard Foss Midden und Cloacina von Misthaufen, Tochter des Generals von Misthaufen, die ihr Vater kennengelernt und geheiratet hatte, als man ihr gestattete, den im Sterben liegenden General im Jahre 1949 auf Middenhall zu besuchen. Miss Midden hatte ihre Mutter nie gekannt. Sie war im Kindbett gestorben, aber ihr Vater hatte sie immer als ungemein willensstarke Frau geschildert. »Die liebe Clo«, sagte er häufig. »Manchmal fehlen mir ihre Blutwurst und die Nachspeise. Deine Mutter war eine bemerkenswerte Frau. Sie hatte den Durchblick.«
    Während hinter ihr der Qualm über den Himmel zog, fuhr Miss Midden Phoebe zum Carryclogs House und holte Major MacPhee ab. Sie war die protzige Middenhall los und mußte nicht mehr drüber nachdenken.
    Über Geld mußte sie auch nicht mehr nachdenken. Auf ihrem Kleiderschrank lag in einem Pappkarton ein in braunes Papier gewickeltes Päckchen, das Tausende und Abertausende Pfund von dem Mann mit dem Rasiermesser enthielt, der Timothy Bright in so panische Angst versetzt hatte. Das blieb nun hier.
    Die Brights hatten ihr Geld zurück und Phoebe einen Verlobten im Wartestand. Sie selbst würde weiterhin im Middenschen Bauernhaus wohnen, während Lennox die Behörden für die Zerstörung von Middenhall um jeden Penny schröpfte. Doch zu Phoebes Hochzeit würde sie auf keinen Fall gehen, obwohl es zweifellos von ihr erwartet wurde. Als Brautjungfer. Bei der Vorstellung lief es Miss Midden kalt den Rücken runter. Es würde eine entsetzlich laute Hochzeit werden, außerdem war sie keine Jungfer und beabsichtigte auch nicht, eine Braut zu werden. Sie würde das bleiben, was sie war und immer sein würde, eine unabhängige Frau. Sie hatte nicht vor, nur so aus Jux zu heiraten. Es gab schon genug Middens, da mußte man keine neuen mehr in die Welt setzen. Und der Major konnte bleiben, wenn er wollte. Es war ihr egal, so oder so. Er war ein erbärmliches kleines Geschöpf, und sie konnte Hilfe im Haus gebrauchen. Aber sie bezweifelte, daß er blieb. Die Vorliebe des Majors für das Leben der Gosse – sie hatte einmal gehört, wie man es Nostalgie de la boue nannte, obwohl es in seinem Fall

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