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Ein Dicker Hund.

Ein Dicker Hund.

Titel: Ein Dicker Hund. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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ständig die Sonne schien und es Weihnachten regelmäßig schneite.
    In mancher Hinsicht war Timothy Brights Welt genauso unwirklich wie die Erinnerungen seines Vaters. Auch er durchlebte die achtziger Jahre im Glauben an das, was ihm die PR-Leute einredeten, und während Politiker und Geschäftsleute hofften, daß ihre optimistischen Reden erst den Wohlstand schafften, der, wenn man ihnen glaubte, schon längst existierte, nahm Timothy Bright ihre Worte für bare Münze. In der grandiosen Unwissenheit, die vor dem Gesetz kein Milderungsgrund ist, berauschte er sich am Lob von Kriminellen und Gesinnungslumpen wie Maxwell und Ronson und vertrat die Ansicht, eine Gefängnisstrafe dürfe dem gesellschaftlichen Aufstieg nicht im Wege stehen. In Timothys Welt trat niemand zurück, niemand wurde wegen Fahrlässigkeit oder Schlimmerem bestraft. Die Große Glucke gackerte selbstzufrieden über der Londoner City, und Maxwell brachte auch die leiseste Kritik mit extrem harschen Verleumdungsklagen zum Verstummen und machte die Richter Ihrer Majestät zu Helfershelfern seiner schrecklichen Verbrechen. Und Timothy hatte Erfolg. Er war ein vergnügter Idiot, den alle mochten. Doch genauso schnell war er ein mieses Schwein und beileibe kein Dummkopf.

2
    Wie auch sonst immer in seinem Leben brauchte er eine ganze Weile, bis er merkte, daß etwas nicht stimmte. Er ging genau wie immer dem nach, was er »seine Arbeit« nannte, suchte dieselben Clubs und Weinstuben auf wie sonst, um dieselben Themen zu besprechen und Kunden zu sagen, welche Aktien sie kaufen oder verkaufen sollten, doch allmählich dämmerte ihm, daß etwas anders war. Offenbar verschwanden Leute ohne Vorwarnung aus seinem Bekanntenkreis, und eine Reihe von Freunden, denen er geraten hatte, Names zu werden, erinnerten ihn an seinen Rat.
    »Aber damals hatte ich nicht die leiseste Ahnung, daß die Lage schlechter werden könnte«, erklärte er, nur um als verdammter Lügner beschimpft zu werden. »Du wußtest schon 82, daß amerikanische Gerichte Asbestose-Opfern Unsummen zusprechen würden ...«
    »Na schön, ich wußte es«, gab Timothy zu. »Aber damals wußte ich nicht, was Asbestose war. Es hätten ja schließlich die Masern oder sonstwas Harmloses sein können.«
    »Aber du wußtest, daß man riesige Schadensersatzsummen zuerkennen würde. Und was ist mit der Umweltverschmutzung? Du warst auf der Sitzung, wo zum erstenmal der schmutzige Plan ausgetüftelt wurde, neue Names als zusätzliche Zahler zu werben. Und daß du verdammt noch mal nicht behauptest, du wärst nicht dabeigewesen. Wir wissen’s besser. Du warst mit Coletrimmer da.«
    »Ja, schon, das stimmt«, gab Timothy törichterweise zu. »Ich erinnere mich an die Sitzung, aber ich hatte ja keine Ahnung, daß es um derartig gewaltige Summen gehen würde. Außerdem hab ich nichts damit zu tun, daß du in dieses Syndikat gegangen bist.«
    »Ach nein? Warum hast du’s denn geschafft, dich da so hübsch rauszuhalten?«
    »Ich habe mich nur an Coletrimmers Rat gehalten«, sagte Timothy.
    »Na klar. Was Besseres fällt dir wohl nicht ein. Coletrimmer steht das Wasser selbst bis zum Hals, und du bist fein raus. Warum machst du’s nicht wie er und verpißt dich irgendwo nach Südamerika?«
    In dieser neuen, rauhen Welt fühlte sich Timothy zunehmend isoliert. In seinen Clubs war er so unbeliebt geworden, daß er es dort nicht mehr aushielt, und obwohl er sich noch mit der einen oder anderen alten Freundin aus der berauschenden Zeit des Überflusses traf, ging es mit seinen eigenen Finanzen dermaßen rapide bergab, daß er sie nicht mehr wie früher einladen konnte, woraufhin sie ihn sitzenließen.
    »Timothy Bright ist wirklich eine üble Nulpe«, hörte er in einer überfüllten U-Bahn ein Mädchen sagen, das er einmal gemocht hatte. »Früher war er ja schon abtörnend genug. Aber jetzt. Igitt.«
    Zu allem Unglück stellte Onkel Fergus seine Besuche in London ein und ließ wissen, er wolle »diesen Idioten Timothy nicht mal in der Nähe von Drumstruthie sehen«. Das traf Timothy besonders hart. Da hatte er seinem Onkel einmal einen guten Rat gegeben und ihn vor einem wahrscheinlich bevorstehenden Krieg in Kuwait gewarnt. Einzig und allein aus der alten Gewohnheit, den wahren Kern hinter dem blanken Unsinn zu suchen, den Timothy gewöhnlich von sich gab, nahm Fergus damals an, ein Krieg sei unwahrscheinlich, und investierte massiv in Aktien der staatlichen irakischen Ölgesellschaft. Er erlitt beträchtliche

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