Ein Dicker Hund.
Verluste, was der alte Mann seinem Neffen nie verziehen hatte. Folglich hatte Timothy keinen vernünftigen Menschen, an den er sich hätte wenden können, als sich seine eigenen finanziellen Schwierigkeiten häuften. Und sie häuften sich in erschreckendem Tempo. Das Haus, das er auf dem Höhepunkt des Immobilienbooms in Holland Park gekauft hatte, war mit einer enormen Hypothek belastet. Als die Rezession zu- und seine Arbeit abnahm, konnte er auf einmal seine Hypothekenzahlungen nicht mehr leisten. Und als wäre das noch nicht genug, war er plötzlich in den Lloydsskandal verwickelt und hatte Hunderttausende Pfund Schulden. Binnen weniger Monate brach Timothy Brights Welt in sich zusammen.
Zu diesem Zeitpunkt besann er sich auf seinen Ehrgeiz, ein Vermögen zu machen, und die Methode, der sich sein Großonkel Harold dazu bedient hatte. Timothy wandte sich Pferderennen und Glücksspiel zu. Nachdem er beim Pferderennen so gut wie alles verloren hatte, lieh er sich eine Menge Geld und setzte – unter Anwendung eines todsicheren Systems, von dem er gelesen hatte – alles beim Roulettespiel im Markinkus Club. Das Rouletterad ignorierte das System, und als Timothy endlich den Stuhl zurückschob und aufstand, konnte er kaum etwas anderes tun, als zwei sehr gedrungenen Männern zu einem, wie sie es nannten, »Schwätzchen mit dem Boß« ins Büro zu folgen. Daraus wurde weit mehr als ein Schwätzchen, und als Timothy Bright das Kasino zwanzig Minuten später verließ, hatte er keinerlei Zweifel mehr hinsichtlich seiner Zukunft, falls er seine Schulden nicht innerhalb eines Monats beglich.
»Und das ist noch großzügig, Bürschchen«, sagte der offenbar zum Plaudern aufgelegte Mr. Markinkus. »Paß auf, daß du die Frist nicht versäumst. Und Frist heißt bei mir Galgenfrist. Kapiert?«
Timothy hatte kapiert, und während die Morgendämmerung langsam über London kroch, überlegte er krampfhaft, an wen er sich um Hilfe wenden konnte. In diesem finsteren Augenblick kam ihm die Eingebung, die sein Leben so grundlegend ändern sollte. Ihm fiel seine Großtante Ermyne ein, die kurz vor ihrem in geistiger Umnachtung eingetretenen Tod immer und immer wieder die unvergeßlichen Worte geäußert hatte: »Always look on the Bright side.« Timothy war damals zwar erst elf gewesen, doch diese wie ein Mantra wiederholten Worte, während Tantchen Ermyne zum letztenmal durch den Flur von Loosemore geschoben wurde, hatten bei ihm einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Er hatte Ermynes Mann, Onkel Vernon, der gerade gut aufgelegt und gesprächig wirkte, nach der Bedeutung dieser Worte gefragt, und nachdem der alte Mann etwas von ein paar Jahren Freiheit und Glück genuschelt hatte, war er mit Timothy an der Hand in die Long Gallery gegangen und hatte ihm die Familienporträts gezeigt. »Das ist die ›Bright-Seite‹ der Familie«, hatte er in einem Tonfall geantwortet, der nach Ahnenverehrung klang. »Wenn es am finstersten aussieht, also wohl normalerweise kurz vor Tagesanbruch, geht der Blick immer auf die Bright-Seite. Das hier ist beispielsweise Croker Bright, kurz bevor ihn die Franzosen gefangennahmen. Seine Stärke waren Hochseepiraterie und danach der übliche Seiden- und Schnapsschmuggel. Besonders gefürchtet war er bei den Spaniern. Starb 1678. Ihm und seinem Sohn hier, Stanhope, verdanken wir sehr viel. Stanhope Bright war ein feiner Kerl. Er war Sklavenhändler und wurde zum Begründer der Bristol Brights. Ein sehr reicher Mann. Sein Vetter hier drüben ist Blakeney Bright, auch bekannt als ›Knochenbrecher‹ Bright, nicht, wie man uns glauben machen möchte, aus irgendwelchen guten landwirtschaftlichen Gründen, sondern weil er eine besonders gefährliche Hochgeschwindigkeitsfördermaschine erfunden hat. Keine Ahnung, was man damit machte. Sicher ist, daß sie nur in den Kohlebergwerken benutzt wurde, wo eine hohe Zahl von Todesfällen völlig akzeptabel war.« Der alte Onkel Vernon war die Ahnengalerie abgeschritten und hatte dabei die Vorzüge der Brights gerühmt, wobei Timothy erfuhr, wie ein Bright nach dem anderen nicht unerheblichen persönlichkeitsbedingten Widerständen und sonstigen widrigen Umständen zum Trotz sein Vermögen gemacht hatte. Selbst noch nach Abschaffung der Sklaverei hatte beispielsweise der Reverend Otto Bright von der Brightschen Missionsstation auf Sansibar der Kirche erhebliche Beiträge erwirtschaftet, indem er wählerischen Scheichs auf der Arabischen Halbinsel hübsche junge
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