Ein diskreter Held
er beim Kellner. »Nach Madrid also. Dann sind wir Reisegefährten.«
Sie setzten sich, lächelten, tauschten Einschätzungen zu ihrem Flug aus – ob die Maschine pünktlich losflog, Verspätung hatte? –, und Gertrudis, deren Stimme Rigoberto, da war er sich sicher, bei den Treffen in Piura nicht ein einziges Mal gehört hatte, sprach nun pausenlos. Hoffentlich wackelte dieses Flugzeug nicht wie das von der LAN, das sie am Vortag aus Piura hergebracht hatte. Es war so herumgehüpft, dass sieheulen musste, weil sie dachte, sie stürzten ab. Und hoffentlich ging bei der Iberia nicht ihr Koffer verloren, denn wenn das passierte, was sollte sie dann in Madrid anziehen, wo sie drei Tage und drei Nächte blieben und wo es offenbar sehr kalt war.
»Der Herbst ist die beste Jahreszeit in ganz Europa«, beruhigte sie Rigoberto. »Und die schönste, das versichere ich Ihnen. Es ist nicht kalt, nur angenehm frisch. Besuchen Sie Madrid als Touristen?«
»Eigentlich fliegen wir nach Rom«, sagte Felícito Yanaqué. »Aber Armida hat darauf bestanden, dass wir ein paar Tage in Madrid verbringen, um die Stadt kennenzulernen.«
»Meine Schwester wollte, dass wir auch nach Andalusien fahren«, sagte Gertrudis. »Aber das hätte alles zu lange gedauert, Felícito hat viel zu tun in Piura, mit den Bussen und den Lkws. Er organisiert die Firma völlig neu.«
»Transportes Narihualá wird vorankommen, auch wenn es mir noch einige Kopfschmerzen bereitet«, sagte der Herr Yanaqué und lächelte. »Vor Ort ersetzt mich jetzt mein Sohn Tiburcio. Er kennt das Unternehmen gut, schon als Junge hat er dort gearbeitet. Er wird es prima machen, da bin ich sicher. Aber Sie wissen ja, man muss selber ein Auge auf alles haben, sonst läuft irgendwas schief.«
»Armida hat uns die Reise spendiert«, sagte Gertrudis, und Stolz schwang in ihrer Stimme. »Sie zahlt alles, stellen Sie sich vor, wie großzügig. Tickets, Hotels, alles. Und in Rom wohnen wir bei ihr zu Hause.«
»Sie war so liebenswürdig, dass wir es ihr nicht ausschlagen konnten«, erklärte Herr Yanaqué. »Stellen Sie sich vor, was sie diese Einladung kostet. Ein Vermögen! Armida sagt, sie ist uns sehr dankbar, dass wir sie aufgenommen haben. Als hätte uns das die kleinste Unannehmlichkeit bereitet. Es war uns vielmehr eine Ehre.«
»Nun ja, Sie haben sich ihr gegenüber wirklich toll verhalten in diesen schwierigen Tagen«, bemerkte Rigoberto. »Sie haben sich um sie gekümmert, ihr einen Halt gegeben. Für sie war eswichtig, in der Nähe ihrer Familie zu sein. Jetzt ist sie in einer glänzenden Situation. Sie hat gut daran getan, Sie einzuladen. Rom wird Ihnen gefallen, Sie werden sehen.«
Gertrudis stand auf, um zur Toilette zu gehen. Felícito Yanaqué deutete auf sie und sagte, mit leiserer Stimme:
»Meine Frau brennt darauf, den Papst zu sehen. Es ist der Traum ihres Lebens, sie ist nämlich wahnsinnig religiös. Armida hat versprochen, mit ihr zum Petersplatz zu gehen, wenn der Papst auf den Balkon tritt. Vielleicht kann sie sogar dafür sorgen, dass sie einen Platz unter den Pilgern bekommt, die der Heilige Vater an manchen Tagen zur Audienz empfängt. Den Vatikan zu besuchen und den Papst zu sehen wäre für sie das größte Geschenk. Sie ist erst nach unserer Hochzeit so katholisch geworden, müssen Sie wissen. Vorher war sie es nicht. Deshalb habe ich mir einen Ruck gegeben und die Einladung angenommen. Ihretwegen. Sie ist immer eine gute Frau gewesen, sehr selbstlos, auch in den schwierigsten Zeiten. Wenn Gertrudis nicht wäre, hätte ich die Reise nicht gemacht. Denn wissen Sie was? Noch nie in meinem Leben habe ich Urlaub genommen. Es bekommt mir nicht, wenn ich nichts tun kann. Ich arbeite wirklich gern.«
Und plötzlich, ohne Übergang, erzählte Felícito Yanaqué von seinem Vater. Ein Yanacón, oben in Yapatera, ein einfacher Mann aus Chulucanas, ohne Ausbildung, ohne Schuhe, verlassen von seiner Frau, hatte den Jungen aufgezogen und sich abgerackert, damit er auf die Schule ging, einen Beruf erlernte, vorankam. Die Rechtschaffenheit in Person.
»Ja, ein großes Glück, wenn man einen solchen Vater hat, Don Felícito«, sagte Rigoberto und stand auf. »Sie werden die Reise nicht bedauern, ganz sicher nicht. Madrid, Rom, so viel Interessantes haben diese Städte zu bieten, Sie werden sehen.«
»Ich wünsche auch Ihnen alles Gute«, sagte Felícito Yanaqué und stand ebenfalls auf. »Grüßen Sie Ihre Frau von mir.«
Doch Rigoberto hatte den Eindruck,
Weitere Kostenlose Bücher