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Ein diskreter Held

Ein diskreter Held

Titel: Ein diskreter Held Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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dass zu diesem Gefühl beitrug, was immer er tat, hörte, sah und gar roch (Letzteres nicht ganz so einfach, klar).
    Versunken in seinem hellen Traum spürte er, wie Lucrecia ihn anstieß und ihm bedeutete, dass das Einsteigen begonnen hatte. Ein Stück weiter sahen sie, wie Don Felícito und Doña Gertrudis als Erste an Bord gingen, in der Business-Reihe. Die Schlange der Reisenden in der Economy-Klasse war sehr lang, logisch, was aber auch hieß, dass das Flugzeug proppenvoll wäre. Rigoberto jedenfalls war unbesorgt; er hatte es geschafft, dass das Reisebüro ihnen die drei Plätze in der zehnten Reihe reservierte, neben dem Notausgang, wo es mehr Platz für die Beine gab, was die Unannehmlichkeiten des Fluges erträglicher machte.
    Als sie das Flugzeug betraten, gab Lucrecia den beiden Piuranern die Hand, und das Paar grüßte sie sehr herzlich. Tatsächlich war ihre Sitzreihe die beim Notausgang. Rigoberto setzte sich ans Fenster, Fonchito in die Mitte und Lucrecia an den Gang.
    Rigoberto seufzte. Ohne hinzuhören hörte er die Informationen, die jemand von der Besatzung zum Flug gab. Als die Maschine dann über die Piste zum Start rollte, hatte er es geschafft, sich in einen Leitartikel im Economist zu vertiefen. Schließlich startete das Flugzeug, unter dem Dröhnen aller vier Triebwerke und mit einer Geschwindigkeit, die von Sekunde zu Sekunde zunahm, und plötzlich spürte er, wie Fonchitos Hand seinen rechten Arm drückte. Er sah von der Zeitschrift auf und wandte sich zu ihm. Sein Sohn schaute ihn mit offenem Mund und entsetzten Augen an.
    »Hab keine Angst, mein Junge«, sagte er überrascht, aber dann schwieg er, denn Fonchito schüttelte den Kopf, als wollte er sagen, das ist es nicht, nicht deshalb.
    Das Flugzeug hatte abgehoben, und die Hand des jungen grub sich fest in seinen Arm.
    »Was ist los, Fonchito?«, fragte er und warf einen besorgten Blick zu Lucrecia, aber bei dem Krach der Triebwerke hörte sie nichts, sie hatte die Augen geschlossen und schien zu dösen oder zu beten.
    Fonchito versuchte ihm etwas zu sagen, aber er bewegte nur den Mund, kein Wort kam ihm über die Lippen, er war ganz blass.
    Eine schreckliche Ahnung überkam Rigoberto, und er beugte sich zu seinem Sohn und flüsterte ihm ins Ohr:
    »Wir werden nicht zulassen, dass Edilberto Torres uns die Reise verdirbt, nicht wahr, Fonchito?«
    Jetzt allerdings sprach der Junge, und was Rigoberto hörte, ließ ihm das Blut zu Eis gefrieren:
    »Er ist da, Papa, hier im Flugzeug, er sitzt hinter dir. Ja, doch, der Herr Edilberto Torres.«
    Rigoberto spürte ein Zerren, und ihm war, als würde sein Hals gequetscht. Er konnte den Kopf nicht bewegen, sich nicht umdrehen zu dem Sitz hinter ihm. Es schmerzte fürchterlich, in seinem Kopf brodelte es. Er hatte die dumme Vorstellung, dass seine Haare qualmten, als stünden sie in Flammen. Ob es möglich war, dass dieser blöde Kerl hier war, in diesem Flugzeug, und mit ihnen nach Madrid flog? Die Wut stieg in ihm auf wie eine unaufhaltsame Lava, eine wilde Lust, aufzustehen und sich auf Edilberto Torres zu stürzen, ihn so lange zu verprügeln und zu beschimpfen, bis er nicht mehr konnte. Trotz des stechenden Schmerzes im Nacken schaffte er es schließlich, sich umzudrehen. Aber in der Reihe hinter ihnen saß kein Mann, nur zwei ältere Damen und ein Mädchen mit einem Lutscher im Mund. Verwirrt schaute er wieder zu Fonchito und erlebte eine Überraschung: Die Augen seines Sohnes sprühten vor neckischer Freude. Und dann brach er in schallendes Gelächter aus.
    »Du hast es geglaubt, Papa«, prustete er, erstickend fast unter seinem übermütigen, gesunden, reinen, kindlichen Lachen. »Stimmt doch, du hast es geglaubt, ja? Du hättest mal dein Gesicht sehen sollen, Papa!«
    Und erleichtert, kopfschüttelnd lächelte Rigoberto, lachte auch er, versöhnt mit seinem Sohn, mit dem Leben. Sie hatten die Wolkendecke durchstoßen, und eine strahlende Sonne tauchte das Innere des Flugzeugs in ihr Licht.

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