Ein Earl mit Mut und Leidenschaft
heranrollte, meinte Hugh: „Ihr habt Platz für einen weiteren Fahrgast.“
„Das ist doch nicht nötig“, sagte Daniel.
„Ich komme mit“, erwiderte Hugh. „Ich kann vielleicht nicht besonders schnell rennen, aber ich bin ein verdammt guter Schütze.“
Als sie das hörten, starrten Daniel und Marcus ihn ungläubig an.
„Wenn ich nüchtern bin“, räumte Hugh ein und errötete. Ein wenig.
„Was ich bin“, fügte Hugh hinzu. Anscheinend hatte er den Eindruck, das klarstellen zu müssen.
„Rein mit dir“, sagte Daniel und zeigte zur Kutsche. Er war überrascht, dass Hugh nicht aufgefallen war ...
„Lady Frances kann sich bei deiner Mutter auf den Schoß setzen, um Platz für Miss Wynter zu machen“, sagte Hugh.
Also gut, Hugh dachte wirklich an alles.
„Fahren wir.“ Marcus klatschte antreibend in die Hände. Die Damen saßen schon in der Kutsche, und Marcus hatte einen Fuß auf dem Treppchen.
Es war ein seltsamer Rettungstrupp, doch als die Kutsche sich in Bewegung setzte, begleitet von vier bewaffneten Lakaien, die als Vorreiter dienten, dachte Daniel unwillkürlich, was für eine wunderbare Familie er doch hatte. Das Einzige, was es noch besser machen könnte, wäre, Anne an seiner Seite zu haben, mit seinem Namen.
Er konnte nur beten, dass sie Hampstead rechtzeitig erreichten.
21. Kapitel
Anne hatte im Leben schon öfter Momente größter Angst erlebt. Als sie George damals das Gesicht zerschnitten hatte - das war entsetzlich gewesen.
Als Daniels Karriol durchgegangen war und sie durch die Luft geflogen war, nachdem sie aus dem Wagen gefallen war - das war auch schrecklich gewesen. Aber nichts - nichts - würde sich je mit dem Augenblick vergleichen lassen, in dem sie merkte, dass die Pferde, die George Chervils Kutsche zogen, nur noch im Schritttempo gingen, und sie sich zu Frances hinabbeugte und flüsterte: „Lauf nach Hause.“ Und dann, bevor sie es sich noch einmal überlegen konnte, hatte sie den Kutschenschlag aufgestoßen, Frances hinausgeschubst und ihr zugerufen, sie solle sich wie ein Ball zusammenrollen, bevor sie auf dem Boden aufkäme.
Sie hatte nur eine Sekunde Zeit gehabt, um sich zu vergewissern, dass Frances sich aufgerappelt hatte und davonlief, ehe George sie zurück in die Kutsche gezerrt und ihr ins Gesicht geschlagen hatte.
„Glaub nicht, dass du meine Pläne durchkreuzen kannst“, zischte er.
„Sie hassen mich“, fuhr sie ihn an, „nicht dieses Kind.“
Er zuckte mit den Achseln. „Ich hätte ihr ja nichts getan.“ Anne war sich nicht so sicher, ob sie ihm das glauben sollte. Gerade war er offenbar so besessen davon, sie zu ruinieren, dass er über die nächsten Stunden nicht hinausdenken konnte. Aber irgendwann würde sich sein Zorn wieder abkühlen, und dann würde er sich darüber klar werden, dass Frances ihn identifizieren könnte. Und auch wenn er der Meinung war, er könne damit durchkommen, Anne zu verletzen - oder sogar zu töten musste doch sogar er wissen, dass die Entführung einer Tochter aus höchsten Kreisen nicht ungestraft bleiben würde.
„Wohin bringen Sie mich?“, fragte Anne.
Er hob die Augenbrauen. „Spielt das eine Rolle?“
Sie krallte ihre Finger in die Wagenpolster. „Das wird ein böses Nachspiel für Sie haben“, sagte sie. „Lord Winstead wird Sie zur Verantwortung ziehen.“
„Dein neuer Liebhaber?“, höhnte er. „Er wird mir nichts nachweisen können.“
„Nun, außer ihm gibt es ja noch ...“ Sie hielt inne, um ihn nicht darauf hinzuweisen, dass Frances ihn aufgrund der Narbe mit Leichtigkeit erkennen würde.
Doch George wurde sofort misstrauisch, als sie plötzlich verstummte. „Wen gibt es noch?“
„Mich.“
Seine Lippen verzogen sich zur grausamen Parodie eines Lächelns. „Ach wirklich?“
Ihre Augen weiteten sich vor Entsetzen.
„Nun ja, noch“, murmelte er. „Aber nicht mehr lange.“ Dann hatte er also vor, sie umzubringen. Anne sagte sich, dass sie das eigentlich nicht überraschen dürfte.
„Aber keine Sorge“, fügte George fast lässig hinzu. „Es wird nicht schnell gehen.“
„Sie sind ja verrückt“, flüsterte Anne.
Da wollte er sie packen, bekam sie am Mieder ihres Kleids zu fassen und riss daran, bis ihr Gesicht ganz dicht vor seinem war. „Wenn dem so ist“, giftete er, „bist du daran schuld.“
„Sie haben sich das doch alles selbst zuzuschreiben.“
„Ach wirklich?“, schrie er und schleuderte sie an die andere Wand der Kutsche. „Das habe ich also
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