Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Ein Earl mit Mut und Leidenschaft

Titel: Ein Earl mit Mut und Leidenschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Quinn
Vom Netzwerk:
vor?“
    „Was ich vorhabe? Ich sitze in einer Kutsche und werde entführt. Was haben Sie vor?“
    Fahrig wischte er sich über die heile Wange, als wollte er eine lästige Fliege verscheuchen. „Rede nicht in so einem Ton mit mir.“
    Sie zuckte mit den Achseln und rollte dazu noch abschätzig mit den Augen. Das würde ihn gewaltig ärgern.
    „Du heckst doch irgendetwas aus“, warf er ihr vor.
    Sie zuckte noch einmal mit den Achseln, in der Annahme, dass etwas, das bei ihm beim ersten Mal funktioniert hatte, beim zweiten Mal noch besser klappen würde.
    Darin sollte sie recht behalten. George wurde vor Zorn ganz fleckig im Gesicht, sodass seine Narbe kalkweiß hervortrat. Es war schaurig anzusehen, doch Anne konnte den Blick nicht davon abwenden.
    George ertappte sie dabei, wie sie ihn anstarrte, und wurde noch wütender. „Was hast du vor?“, fragte er und stieß ihr mit einem Zeigefinger in die Seite.
    „Nichts“, erwiderte sie vollkommen ehrlich. Zumindest nichts Konkretes. Im Moment ging es ihr nur darum, ihn aus der Fassung zu bringen. Und es lief wie am Schnürchen.
    Er war es nicht gewohnt, dass Frauen ihm mit Verachtung begegneten, erkannte sie jetzt. Damals in Northumberland hatten ihn die jungen Mädchen alle angehimmelt und stets an seinen Lippen gehangen. Sie wusste nicht, welche Aufmerksamkeit ihm heutzutage zuteil wurde, aber sie musste zugeben, dass er, wenn er nicht gerade rot vor Wut war, trotz Narbe immer noch recht attraktiv war. Manchen Frauen täte er vielleicht leid, aber andere würden ihn mit dieser Wunde, die nach Krieg oder Abenteuer aussah, bestimmt verwegen oder sogar geheimnisvoll finden.
    Verachtung jedoch? Das würde ihm nicht gefallen, vor allem nicht von ihr.
    „Du lächelst ja schon wieder“, sagte er anklagend.
    „Aber nein“, log sie in scherzhaftem Ton.
    „Verärgere mich nicht“, zürnte er und stieß ihr noch einmal den Zeigefinger in die Schulter. „Das würdest du nur bereuen.“
    Sie zuckte mit den Achseln.
    „Was ist los mit dir?“, brüllte er.
    „Nichts“, sagte sie, denn inzwischen war ihr klar, dass ihn nichts mehr provozierte als ihre ruhige Gelassenheit. Er wollte, dass sie sich vor Angst in eine Ecke kauerte. Er wollte sie zittern sehen, er wollte sie betteln hören.
    Daher wandte sie sich stattdessen von ihm ab und blickte aus dem Fenster.
    „Sieh mich an!“, befahl George ihr.
    Sie wartete einen Augenblick und sagte dann: „Nein.“
    Seine Stimme senkte sich zu einem Knurren. „Sieh mich an.“
    „Nein.“
    „Sieh mich an!“
    Dieses Mal tat sie es. Sein Ton war überaus bedrohlich, und unwillkürlich hatte Anne den Kopf eingezogen und sich auf einen Schlag gefasst machte. Wortlos starrte sie ihn an.
    „Gegen mich hast du keine Chance“, fauchte er.
    „Ich werde es trotzdem versuchen“, sagte Anne leise. Denn diesmal würde sie ganz bestimmt nicht kampflos aufgeben. Sollte es ihm tatsächlich gelingen, sie zu zerstören, würde sie ihn mit sich ins Verderben reißen. Gott war ihr Zeuge.
    Die Pleinsworth’sche Kutsche raste über die Hampstead Road; das Sechsergespann legte ein Tempo vor, das man unterwegs nicht oft zu sehen bekam. Gewiss riefen sie den Unmut der anderen Verkehrsteilnehmer hervor - eine große, opulente Kutsche, die in Begleitung von bewaffneten Wachen in halsbrecherischer Geschwindigkeit über die Straßen jagte - aber das war Daniel egal. Die Hauptsache war, dass Chervil nicht Wind davon bekam, dass sie ihm auf den Fersen waren, aber diesbezüglich war Daniel unbesorgt. Chervil war ihnen mindestens eine Stunde voraus; wenn er tatsächlich plante, in einem Gasthaus in Hampstead abzusteigen, wäre er bereits dort und hätte keine Ahnung, dass sie ihm folgten. Daniel hoffte darauf, den Überraschungseffekt auf seiner Seite zu haben und Chervil zügig überwältigen zu können.
    Das Zimmer durfte bloß nicht auf die Straße hinausgehen ...
    Zittrig stieß Daniel den Atem aus. Darüber würde er sich Gedanken machen, wenn es so weit war. Er konnte Anne entweder schnell oder heimlich befreien, aber nach allem, was er über Chervil erfahren hatte, neigte er eher zu einer schnellen Befreiung.
    „Wir finden sie schon“, sagte Marcus mutmachend.
    Daniel betrachtete seinen Freund. Marcus strahlte weder Arroganz noch Überlegenheit aus, aber das hatte er noch nie. Marcus war verlässlich, auf ruhige Art zuversichtlich, und in diesem Augenblick lag in seinem Blick eine Entschlossenheit, die Daniel tröstlich fand. Daniel nickte

Weitere Kostenlose Bücher