Ein Ehebett zur Probe
zur Scheidung von ihrem hübschen aber langweiligen Mann geführt hatte. Was Robin nicht wußte, war, daß dieselbe Lebenslust sie einem nicht so hübschen, doch viel weniger langweiligen Mann in die Arme geführt hatte, in ein schwindelerregendes Verhältnis, das zu nichts führte. Ein Verhältnis, von dem sie sich wenig später frei machte.
Tante Irene behandelte die >Erziehung zur Ehe< mehr in Form einer Diskussion als wie einer Vorlesung. Robin und zwanzig andere Mädchen und Jungen verbrachten die Stunde gewöhnlich, indem sie heiß da weiter stritten, wo sie in der vergangenen Stunde aufgehört hatten, während Irene sie mit Kaffee und Pfannkuchen bewirtete und dabei die Diskussion in die von ihr gewünschte Richtung lenkte. An diesem Tage ging es um ein Problem, das sie aus persönlicher Erfahrung ebensogut wie aus Büchern kannte: Mißerfolg in der Ehe.
»Beunruhigend ist die Scheidungsstatistik«, sagte sie, während sie ihren Kaffee schlürfte. »1900 kam eine Scheidung auf 250 Ehen. 1945 eine Scheidung auf sechzig, und heute ist es noch schlimmer.«
»Das genügt nicht!« beklagte sich ein pedantischer Junge, Josh, der für Lehrbuchphrasen schwärmte und Irenes Neigung, sich allgemeinverständlich auszudrücken, nicht leiden konnte.
Irene war mit ihrem Aussehen natürlich der Gegenstand geheimer Wünsche fast aller Jungen, und mehrere von ihnen warfen sich sofort zu ihren Verteidigern auf und griffen Josh an. Irene mischte sich schnell ein, um den Streit nicht ausarten zu lassen. »Wir wollen nicht um Worte streiten, sondern die Vielfältigkeit der Gründe und den Prozeß der Ernüchterung in diesen zerfallenden Ehen untersuchen. Wer hat etwas dazu zu sagen? Die Gründe?«
Peggy fuhr es heraus: »Der Verfall der religiösen Autorität!«
»Die wachsende Lebenserwartung!«erklärte Josh.
Sofort widersprach Robin: »Die Überbewertung körperlicher Schönheit!«
»Die veränderte Haltung Scheidungen gegenüber«, sagte ein Student, und ein anderer rief: »Die Wahl des Ehepartners aus einer anderen gesellschaftlichen oder ethischen Schicht.«
Irene Wilson ging hinter den streitenden Studenten entlang und blieb vor den großen hageren Kapitän der Universitäts-Fußballmannschaft stehen, der eben im Begriff war einzuschlafen. »Mister Proctor!«
Seine Augenlider klappten hoch, und er starrte sie verwirrt an.
Sie schüttelte traurig den Kopf. »Sie haben sich für meine Vorlesungen eingeschrieben, weil Sie dachten, leicht ein gutes Zeugnis zu bekommen, Proctor — stimmt es?« Als er versuchte, zu widersprechen, fuhr sie fort: »Trinken Sie eine Tasse Kaffee, und bleiben Sie wach!«
Proctor schlurfte zur Kaffeemaschine und murmelte dabei eine Entschuldigung.
Peggy brachte die Klasse auf das Thema zurück: »Ich glaube nicht, daß Uneinigkeit und fehlende Harmonie als Erklärung für die hohe Scheidungsrate genügen.«
Irene drehte sich interessiert zu ihr um. »Wie meinen Sie das?«
»Nun, ich denke an die Tausende von Ehen, die nicht geschieden werden, sondern in denen die Ehepartner trotz gegenseitiger Abneigung weiter Zusammenleben.«
»Sie hat recht!« sagte Robin nachdrücklich — dies war ein Problem, mit dem sie ständig rang, seit sie sich in Dave verliebt hatte. »Und ein Grund dafür ist, daß Kinder heiraten, bevor sie gefühlsmäßig reif dazu sind. Sie halten es für Liebe, aber es ist nur starke körperliche Anziehung.«
Ardice griff das Stichwort auf, weil sie sich ihrer Unterhaltung auf dem Wege zur Vorlesung erinnerte. »Ich weiß, was Rob meint. Sie fangen an zu knutschen und können dann nicht mehr richtig denken.«
Robin nickte weise. »Knutschen und Denken — das verträgt sich eben nicht miteinander.«
Josh wandte sich ärgerlich zu ihr. »Aber es geht doch nicht ohne Werben — um Himmels willen! Ein Junge und ein Mädchen müssen sich doch richtig kennenlernen!«
»Auf einem Wagensitz?« fragte Robin verächtlich. »Herrje! Wenn ihr euch so wild gebärdet, wo habt ihr dann Zeit für Charakteranalyse?«
»Wollen wir nicht zu unserem Thema zurückkehren?« warf Irene liebenswürdig ein. »Wir drehen uns im Kreise um das Problem herum. Noch keiner von euch hat die Frage nach der Liebe aufgeworfen.«
Josh richtete seinen Ärger gegen Irene. »Da haben wir es wieder — das Problem der Worte! Liebe! Ein gefühlvolles Wort mit fünf zigtausend verschiedenen Auslegungen!«
Die Klasse reagierte mißbilligend. Irene beruhigte sie und übernahm wieder die Führung. »Gut.
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