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Ein endloser Albtraum (German Edition)

Ein endloser Albtraum (German Edition)

Titel: Ein endloser Albtraum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Marsden
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und ihn biss. Es war komisch, wenn man bedachte, wie mutig er gewesen war, als er den Stock hielt, den Schlafsack hob und annahm, dass er in Sicherheit war. Aber in diesem Stadium meines Lebens hatte ich nicht viel Zeit oder Platz für rationale Überlegungen: Mein irrationaler Verstand hatte das Kommando übernommen. Er sagte mir, ich solle in Panik geraten; ich geriet in Panik. Er sagte mir, ich solle rennen; ich rannte. Er sagte mir, ich solle mich um niemanden kümmern; ich kümmerte mich um niemanden. Es dauerte einige Zeit, bis ich mich umsah, um festzustellen, ob die anderen okay waren ... und um festzustellen, wo die Schlange war.
    Kevin stand noch immer an der gleichen Stelle; Robyn war einige Meter vor mir und tat das Gleiche wie ich: stehen, schauen, keuchen, zittern. Fi stand im Bach; ich hatte keine Ahnung warum; Lee war auf einen Baum geklettert, hatte sich sechs Meter hinaufgearbeitet und stieg noch immer weiter; Corrie stand intelligenterweise am Feuer und benützte es als Schutz; Homer war nirgends zu sehen. Genau wie die Schlange.
    »Wo ist sie?«, brüllte ich.
    »Sie ist dorthin gekrochen.« Corrie zeigte in den Busch. »Sie hat mich verfolgt, aber als ich hierherkam, sprang ich über das Feuer und sie bog ab.«
    Für jemanden, der gerade von einer wütenden Schlange verfolgt worden war, wirkte sie sehr ruhig.
    »Wo ist Homer?«, fragte ich.
    »Er ist dorthin gegangen.« Corrie zeigte in die entgegengesetzte Richtung. Das klang sicher genug, sogar für Homer. Ich hörte allmählich auf panisch zu sein und ging zum Feuer. Lee, der verlegen grinste, begann den Baum wieder hinunterzuklettern. Sogar Homer tauchte irgendwann aus einem dichten Gestrüpp auf.
    »Warum hast du im Bach gestanden?«, fragte ich Fi.
    »Natürlich um der Schlange zu entkommen.«
    »Aber Fi, Schlangen können schwimmen.«
    »Nein, das können sie nicht ... können sie? O mein Gott. O mein Gott. Ich hätte sterben können. Danke, dass ihr es mir gesagt habt.«
    Damit waren die größten Aufregungen für diesen Tag vorbei, es sei denn, man zählt die Überraschungswurst mit, die Homer und Kevin zum Tee servierten. Sie war tatsächlich voller Überraschungen und wie die Schlange gehörte sie zu der Art von Unterhaltung, auf die ich verzichten kann. Wir gingen sehr zeitig schlafen. Es war einer jener Tage, an denen alle vom Nichtstun erschöpft waren. Ich kletterte gegen halb zehn in den Schlafsack, nachdem ich ihn sorgfältig kontrolliert hatte und sicher war, dass er leer war. Zu diesem Zeitpunkt waren nur noch Homer und Fi wach und sprachen am Feuer leise miteinander.
    Ich schlief sehr tief, sehr fest und diese Nacht war typisch. Einmal wachte ich auf, aber ich hatte keine Ahnung, wie spät es war, vielleicht drei oder vier Uhr. Es war eine kalte Nacht; ich musste aufs Klo, vergeudete aber zehn Minuten damit, es aufzuschieben. Es war einfach zu grausam, aus dem behaglichen Schlafsack zu kriechen. Ich ermahnte mich streng: »Komm schon, du weißt, dass du gehen musst, du wirst dich besser fühlen, wenn du es getan hast, hör auf, so ein Schwächling zu sein, je rascher du es tust, desto rascher bist du wieder in deinem warmen Schlafsack.« Irgendwann wirkte es; ich kämpfte mich verbissen hinaus und stolperte zehn Meter weiter zu einem geeigneten Baum.
    Einige Minuten später blieb ich auf dem Rückweg stehen. Ich glaubte ein fernes Summen zu hören, war aber unsicher und wartete, bis es lauter und deutlicher wurde. Seltsam, wie sehr sich künstliche von natürlichen Geräuschen unterscheiden. Sie sind gleichmäßiger. Hier handelte es sich eindeutig um ein künstliches Geräusch; es musste ein Flugzeug sein. Ich wartete und blickte zum Himmel hinauf.
    Etwas, das hier anders ist, ist der Himmel. Diese Nacht war genauso wie alle klaren Nächte in den Bergen: Am Himmel funkelte eine unglaubliche Anzahl Sterne. Manche waren stark und hell, andere winzige, schwache Nadelköpfe, manche flackerten, manche waren von einem verschwommenen Leuchten umgeben. Von den meisten derartigen Szenerien bekomme ich irgendwann genug, aber nie von dem Nachthimmel in den Bergen, nie. Ich kann mich in ihm verlieren.
    Plötzlich wurde das laute Summen zu einem Dröhnen. Ich konnte nicht glauben, wie schnell es sich verändert hatte.
    Wahrscheinlich entstand es durch die hohen Felswände, die unser Lager umgaben. Wie schwarze Fledermäuse, die vom Himmel herabschrien und die Sterne auslöschten, raste eine V-förmige Formation von Düsenflugzeugen über

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