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Ein endloser Albtraum (German Edition)

Ein endloser Albtraum (German Edition)

Titel: Ein endloser Albtraum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Marsden
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kein Ort konnte das sein. Die Menschen haben diese Schlucht als Hölle bezeichnet und nur das macht sie dazu. Die Menschen versehen Orte einfach mit Namen und deshalb sieht niemand sie mehr richtig. Jedes Mal, wenn sie die Orte sehen oder an sie denken, sehen sie ein großes Schild, auf dem Wohnungsamt oder Privatschule oder Kirche oder Moschee oder Synagoge steht. Sobald sie diese Schilder entdeckt haben, hören sie auf zu schauen.
    Genauso war es mit Homer; er hatte all die Jahre ein großes Schild um den Hals hängen und wie eine Idiotin las ich es immer wieder. Tiere sind klüger. Sie können nicht lesen. Hunde, Pferde, Katzen machen sich nicht die Mühe, irgendein Schild zu lesen. Sie verwenden ihren eigenen Verstand, ihre eigene Urteilsfähigkeit.
    Nein, die Hölle hat nichts mit Orten zu tun, sie hat nur mit Menschen zu tun. Vielleicht sind die Menschen die Hölle.

Fünftes Kapitel
    Wir campten nach wie vor auf der Lichtung und wurden dabei fett und faul. Jeden Tag sagte jemand: »Okay, heute gehen wir endgültig hinauf und machen eine ordentliche, lange Wanderung«, und jeden Tag sagten alle: »Ja, ich komme mit«, »Ja, wir werden zu träge«, »Ja, das ist eine gute Idee.«
    Doch irgendwie kamen wir nie dazu. Die Mittagszeit schlich heran, dann mussten wir erst einmal richtig schlafen oder lesen oder im Bach paddeln und dann war es Nachmittag und auf einmal Spätnachmittag. Corrie und ich waren wahrscheinlich noch am unternehmungslustigsten. Wir machten ein paar Spaziergänge, zur Brücke zurück oder zu verschiedenen Felsen, so dass wir uns lange unter vier Augen unterhalten konnten. Wir sprachen über Jungen und Freundinnen und Schule und Eltern, das Übliche eben. Wir beschlossen nach dem Schulabschluss sechs Monate lang Geld zu verdienen und dann zusammen nach Übersee zu gehen. Bei dem Gedanken wurden wir richtig aufgeregt.
    »Ich möchte jahrelang fortbleiben«, sagte Corrie träumerisch.
    »Corrie! Du hast im Zeltlager der achten Klasse Heimweh bekommen, und das waren nur vier Tage.«
    »Das war nicht wirkliches Heimweh. Das kam daher, dass Ian und die Übrigen mir das Leben so schwer machten.«
    »Sie waren richtige Schufte. Ich habe sie gehasst.«
    »Weißt du noch, wie sie erwischt wurden, als sie uns mit Feuerzeugen bombardierten? Sie waren verrückt. Aber sie haben sich inzwischen gebessert.«
    »Ian ist immer noch ein Scheusal.«
    »Er stört mich nicht mehr. Er ist in Ordnung.«
    Corrie verzeiht viel leichter als ich. Sie ist viel toleranter.
    »Werden dich deine Eltern nach Übersee fahren lassen?«, fragte ich.
    »Ich weiß es nicht. Vielleicht, wenn ich sie lange genug bearbeite. Sie haben zugelassen, dass ich mich für diesen Austausch gemeldet habe, weißt du noch?»
    »Mit deinen Eltern kann man so gut auskommen.«
    »Mit deinen auch.«
    »Das stimmt auch die meiste Zeit, außer wenn Dad schlechter Laune ist. Und er ist schrecklich sexistisch. Was ich mir alles anhören musste, nur um bei diesem Ausflug mitmachen zu dürfen. Wenn ich ein Junge wäre, gäbe es keine Probleme.«
    »Hmm. Mein Dad ist nicht schlecht. Ich habe ihn erzogen.«
    Ich lächelte. Viele Leute unterschätzen Corrie. Sie bearbeitet die Leute unauffällig, bis sie bekommt, was sie will.
    Wir stellten unsere Reiseroute zusammen: Indonesien, Thailand, China, Indien, dann hinauf nach Ägypten. Von dort aus wollte Corrie nach Afrika fahren, während ich nach Europa wollte. Corrie hatte vor, sich alles anzusehen, nach Hause zurückzukommen und Krankenschwester zu werden. Dann wollte sie in das Land zurückkehren, das Krankenschwestern am dringendsten brauchte. Ich bewunderte sie dafür. Ich war eher daran interessiert, Geld zu verdienen.
    So verging die Zeit. Nicht einmal an unserem letzten vollen Tag, als das Essen knapp wurde, war einer bereit zum Landrover zu gehen und Lebensmittel zu holen. Stattdessen improvisierten wir und stellten Mahlzeiten zusammen, die wir daheim in den nächsten Mülleimer gekippt hätten. Es gab keine Butter, kein Milchpulver, keine Kondensmilch, weil wir die Tuben am ersten Tag ausgesaugt hatten. Kein Obst, kein Tee, kein Käse. Keine Schokolade – das war ernst. Aber nicht so ernst, dass wir deswegen bereit gewesen wären unseren Hintern zu bewegen. »Das ist ein Engpass«, erklärte Kevin. »Wenn wir Schokolade hätten, würde sie mir die nötige Energie liefern, um zum Landrover hinaufzugehen und noch welche zu holen. Aber ohne Schokolade würde ich es nicht einmal bis zur ersten Stufe

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