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Ein endloser Albtraum (German Edition)

Ein endloser Albtraum (German Edition)

Titel: Ein endloser Albtraum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Marsden
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man das macht?«
    »Nein.«
    »Hast du etwas gefunden?«
    »Ja, haufenweise. Ich verstecke es hinter den Bäumen, damit die anderen es nicht sehen.«
    »Du bist ganz schön egoistisch.«
    »Ja, so bin ich eben. Du weißt es.«
    In einem hatte er Recht. Ich kannte ihn gut. Er war wie ein Bruder. Wir waren Nachbarn und miteinander aufgewachsen. Und obwohl er eine Menge unangenehmer Angewohnheiten hatte, war er nicht egoistisch.
    »He, El?«, sagte er, nachdem ich einige Minuten lang zugesehen hatte, wie er den Schotter begutachtete. »Ja?«
    »Was hältst du von Fi?«
    Ich fiel beinahe in den Bach. Wenn jemand diese Frage in diesem Ton stellt, kann sie nur eines bedeuten. Aber ausgerechnet Homer! Die einzigen Frauen, die Homer bewunderte, waren die aus den Zeitschrifen. Echte Frauen behandelte er wie Bohnensäcke.
    Und ausgerechnet Fi!
    Trotzdem wollte ich seine Frage beantworten, ohne ihn zu entmutigen.
    »Ich liebe Fi, das weißt du. Sie wirkt manchmal so ... vollkommen.«
    »Ja, weißt du, du könntest Recht haben.«
    Er wurde verlegen, weil er so weit gegangen war, und kratzte noch einige Minuten lang nach Gold.
    »Wahrscheinlich hält sie mich nur für ein Großmaul, was?«, fragte er schließlich.
    »Ich weiß es nicht. Ich habe keine Ahnung, Homer. Aber ich glaube nicht, dass sie dich hasst. Gestern Abend habt ihr miteinander geplaudert, als wärt ihr alte Freunde.«
    »Ja, ich weiß.« Er räusperte sich. »Da habe ich zum ersten Mal ... als mir klar wurde ... Ja also, es war das erste Mal, dass ich sie wirklich beachtete. Jedenfalls seit der Zeit, als ich noch ein kleiner Junge war. Ich hielt sie immer für einen hochnäsigen Snob. Aber das ist sie nicht. Sie ist wirklich nett.«
    »Das hätte ich dir sagen können.«
    »Ja, aber du weißt doch, sie lebt in diesem großen Haus und sie spricht wie Mrs Hamilton und dann denk an mich und meine Familie. Ich meine, für Leute wie sie sind wir einfach griechische Bauern.«
    »Fi ist nicht so. Du solltest ihr eine Chance geben.«
    »Natürlich will ich ihr eine Chance geben. Das Problem ist, dass ich nicht weiß, ob sie mir eine geben wird.«
    Er starrte bedrückt auf den Schotter, seufzte und stand auf. Plötzlich veränderte sich sein Gesicht. Er wurde rot und begann seinen Kopf verlegen zu winden, als hätte sein Hals nach all den Jahren genug davon, seinen Kopf mit dem Körper zu verbinden. Ich sah mich um, um festzustellen, was daran schuld war. Fi kam zum Bach herunter, um ihre vollkommenen Zähne zu putzen. Es fiel mir schwer, nicht zu lächeln. Ich hatte Menschen gesehen, die die Liebe wie ein Blitzschlag getroffen hatte, aber ich hätte nie gedacht, dass es Homer zustoßen würde. Und wenn ich daran dachte, dass es Fi war, stockte mir der Atem. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, was sie denken oder wie sie reagieren würde. Am ehesten nahm ich an, dass sie es für einen großartigen Spaß halten, ihn sanft und rasch abweisen und dann zu mir kommen und mit mir darüber kichern würde. Sie würde bestimmt nicht aus Grausamkeit lachen; es war einfach so, dass niemand Homer ernst nahm. Er hatte die Leute immer in der Meinung bestärkt, dass er kein Herz hatte – er pflegte zu sagen: »Ich habe ein Radium-Herz, das fünftausend Jahre braucht, um zu schmelzen.« Er saß in der Klasse in der letzten Bank und ermutigte die Mädchen ihn zu kritisieren. »Ja, ich bin gefühllos – was noch? Sexistisch? Kommt schon, fällt euch sonst nichts ein? Das könnt ihr doch besser! Ach, Sandra, jetzt mach schon ...« Sie wurden immer wütender, während er sich lächelnd zurücklehnte und sie verspottete. Sie wussten, was er tat, konnten sich aber nicht wehren.
    Nach einer Weile begannen wir daher ihm zu glauben, wenn er sagte, er sei zu zäh für Gefühle. Es war komisch, dass Fi, das zierlichste Mädchen in unserem Jahrgang, anscheinend diejenige sein würde, die ihn schaffte – wenn das die richtige Art ist, es auszudrücken.
    Ich ging den Weg bis zur letzten Satansstufe zurück. Die Sonne hatte die große Granitwand bereits erwärmt; ich lehnte mich mit halb geschlossenen Augen dagegen, dachte an unsere Wanderung, an den Weg und den Mann, der ihn gemacht hatte, und an diesen Ort, der Hölle genannt wurde. ›Warum haben die Menschen ihn Hölle genannt?‹, fragte ich mich. All die Wände und Felsen und die Vegetation wirkten tatsächlich wild. Aber Wildnis bedeutet nicht Hölle. Wildnis ist faszinierend, schwierig, wunderbar. Es gibt keinen Ort, der die Hölle ist,

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