Ein Fall für Perry Clifton
geläutet?“
„Dieser Herr will gehen.“
Perry Clifton ist über den Hinauswurf nicht nur erbost — nein, er kocht vor Wut. Doch mit keiner Miene offenbart er seine Gefühle. Mit dem freundlichsten Gesicht verbeugt er sich vor dem Ehepaar Kandarsky und verläßt schweigend das Haus. Und während er wieder Richtung Hydepark geht, arbeitet es in seinem Kopf.
Plötzlich bleibt er abrupt stehen — wie sagte doch der Baron? Er habe heute abend viele Gäste?
Perrys Finger tasten über den Zauberwürfel... Was eben noch Gedankengespinst war — hat schlagartig feste Formen angenommen.
,Ich werde einer der Gäste sein’, beschließt er. Und sei es nur aus dem einzigen Grund, dem eingebildeten Baron den Inhalt einer Salatschüssel auf seinen arroganten Scheitel zu schütten. Natürlich als Unsichtbarer.
Perry beginnt fröhlich zu pfeifen. Sein Entschluß hat ihn mit der eben erlittenen Niederlage ausgesöhnt.
Die Stunden bis zum Abend verbringt er mit allen möglichen Dingen. Auch mit der Niederschrift seiner bisherigen Wahrnehmungen im Fall der Kandarsky-Diamanten. Und er ist froh darüber, daß Dicki ihn nicht stört.
Als es neunzehn Uhr schlägt, macht sich Perry Clifton auf den Weg. Es ist der gleiche Weg, den er vor Stunden schon einmal eingeschlagen hat.
Auch diesmal winkt er sich am Hydepark eine Taxe heran.
„Fahren Sie mich bitte nach Kensington. Am besten, wenn Sie mich Ecke Wood- und Marvelstreet absetzen.“ Perry hat eine große Abneigung gegen Taxichauffeure und Friseure, die sich um jeden Preis mit ihren Kunden unterhalten wollen. So hat er im Laufe der Jahre eine Methode entwickelt, die selbst dem hartnäckigsten und redseligsten Zeitgenossen jede Lust an einer weiteren Unterhaltung nimmt.
Daß dem jetzigen Chauffeur diese Fahrt noch lange im Gedächtnis haftenbleiben wird, liegt jedoch nicht allein an dem merkwürdigen Gespräch, das der Fahrer mit der Feststellung beginnt:
„Ich glaube, heute nacht wird es regnen...“
Perrys Stimme antwortet dumpf und monoton.
„Aber nur, wenn die Sonne nicht scheint.“
„Bitte?“
„Ich sagte: Aber nur, wenn die Sonne nicht scheint.“
Der Chauffeur rutscht unruhig auf seinem Sitz herum, während seine Augen versuchen, Perry im Rückspiegel zu erfassen.
„Das versteh’ ich nicht“, bringt er endlich hervor, und sein Gesicht ist ein einziges Fragezeichen.
Perrys Stimme ist noch um eine Nuance monotoner, als er erklärt: „Ich meine das so. Wenn die Äpfel ihre Wintermäntel ausziehen und die Kirschen ihre Kerne wegwerfen, dann gibt es grünes Glatteis. Dann weint das Korn und die Hühner legen rechteckige Eier. Verstehen Sie?“
„Oh... das... ich... ich... jaja... das verstehe ich sehr gut...“
Das Gruseln sitzt dem Chauffeur im Nacken. Er ist felsenfest davon überzeugt, daß er es mit einem entsprungenen Irren zu tun hat. Ja, er rechnet fast damit, daß ihm sein unheimlicher Fahrgast jeden Augenblick in die Mütze beißt. Der Angstschweiß rollt ihm in Form von dicken Tropfen rechts und links der Nase herunter. Und niemand ist erleichterter, als er endlich die Kreuzung Wood- und Marvelstreet vor sich auftauchen sieht.
Perry hat inzwischen eine Pfundnote auf das Polster gelegt. Es ist reichlich. Dann fährt seine Hand in die Tasche und umschließt den geheimnisvollen Würfel...
Der Wagen verlangsamt seine Fahrt... die Bremsen ziehen an... ein leichtes Wippen, und der Chauffeur verkündet aufatmend:
„Wir sind da, Sir.“
Der Chauffeur wendet sich um.
„Was ist denn... bin ich verrückt?“ murmelt er. Und seine Augen entdecken die Pfundnote.
In diesem Augenblick öffnet sich wie von Geisterhand die rückwärtige Autotür. Die Pupillen des Wagenlenkers weiten sich vor Entsetzen... Und während er krampfhaft Schluckbewegungen macht, spürt er, wie ihn ein Zittern befällt.
Da knallt die Wagentür auch schon zu.
Klipp — klapp — klipp — klapp...
Plötzlich kommt Leben in den Chauffeur. Der Motor heult auf, die Bremse knallt zurück, und mit schrecklichem Gekreisch rastet der Gang ein. Ein schrilles Pfeifen der mißhandelten Reifen, und schon rast der Wagen mit halsbrecherischer Geschwindigkeit in die nächste Kurve...
Zwei Anzeigen werden protokolliert .
Polizeisergeant Orville vom 18. Polizeirevier sitzt vor seiner Schreibmaschine und tippt mißmutig an einem Bericht. Er haßt diese Schreibarbeiten fast so wie die Katze seines Nachbarn, die jede zweite Nacht mit ihrem Geheul die ganze Gegend rebellisch
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