Ein Fall für Perry Clifton
mir auch leid.“
„Soo?“ fragt Perry gedehnt.
„Ja, vielleicht irrt er irgendwo herum und hat Hunger...“ Sein schlechtes Gewissen treibt ihn zu den gewagtesten Mutmaßungen.
„Oder er ist eingesperrt und findet nicht mehr heraus?“
„Hm...“ macht Perry Clifton.
„Es könnte ihn natürlich auch jemand eingefangen haben.“
„Das könnte sein“, gibt Clifton zu und lächelt verstohlen über Dickis plötzlichen Eifer.
„Auf alle Fälle werde ich morgen mittag nach der Schule mit dem Fahrrad in Richtung Mitcham fahren. Es könnte ja sein, daß ich ihn sehe — nicht?“
Als Perry den um Anerkennung bittenden Blick Dickis sieht, nickt er ernsthaft.
„Tue das, Dicki. Vielleicht hast du Glück und findest diesen Jocky.“
Glücklich strahlen Dickis Augen wieder, und mit einer Geste, die so aussieht, als wolle er damit ein Königreich verschenken, sagt er:
„Und die Belohnung, die kann Madame Porelli behalten...“
„Na, das würde ich mir dann doch noch überlegen.“ Einen Augenblick lang stutzt Dicki und schielt verblüfft auf seinen großen Freund. Als er jedoch dessen breites Lächeln sieht, versteht er, daß Perrys Rüge von vorhin gar nicht so ernst gemeint war.
Zwischenfall im Warenhaus
Vier Nachmittage lang radelte Dicki Miller mit seinem Fahrrad umher.
Über Hauptstraßen, durch schmale Gassen und stille Seitenwege führte ihn die Suche nach dem verschwundenen Dackel.
Doch es war vergeblich. Von Jocky fand er keine Spur.
Viele Monate sind seit dieser Suche vergangen. Es ist mittlerweile November geworden. Ein Monat, der wegen seiner Nebel und feuchten Niederschläge von fast allen Londoner Bewohnern gefürchtet wird.
Doch diesmal ist es nicht nur die Witterung, die diesen Monat für viele Leute dieser Stadt unvergessen macht.
Er bringt außer Nebel auch eine Reihe unheimlicher Ereignisse.
Man schreibt den 11. November.
Die Uhr über dem Hauptportal zeigt sieben Minuten vor sechzehn Uhr, als eine ganz in Schwarz gekleidete Dame mit einem ebensolchen Gesichtsschleier die Verkaufsräume des großen Warenhauses Cook & Small in der King-George-Street betritt.
Ohne Aufenthalt steuert sie geradewegs auf die Schmuckabteilung zu, deren Vitrinen gegenüber dem Haupteingang stehen.
Vor einer mit Panzerglas gesicherten Vitrine verhält sie den Schritt und läßt, sorgsam prüfend, ihre Blicke über die zur Schau gestellten Schmuckstücke gleiten.
„Bitte, Mylady, was darf es sein?“
Freundlich lächelt die junge, adrett gekleidete Verkäuferin. „Höflichkeit und Freundlichkeit ist der Anfang des Geschäfts“, war ihr immer gesagt worden. Und eingedenk dieser Weisheit lächelt sie auch noch, als die Lady, ohne ihr Beachtung zu schenken, weiterhin die Auslagen betrachtet.
„Vielleicht darf ich Ihnen etwas Besonderes zeigen?“ flötet Miß Carner, die Verkäuferin, und beschließt, der Dame im Geiste kräftig auf die Zehen zu treten.
Und dann ist sie erstaunt, daß sie es anscheinend doch nicht mit einer Stummen zu tun hat.
„Ich suche ein Hochzeitsgeschenk. Es soll etwas Wertbeständiges sein!“ äußert die Kundin mit einer tiefen, männlich wirkenden Stimme.
Diensteifrig rollt Miß Carner den grünen Filz auf der Scheibe aus und nimmt im Geiste den Fußtritt von vorhin wieder zurück.
„Dachten Sie dabei an ein bestimmtes Schmuckstück? Eine Brosche zum Beispiel — oder ein Ring vielleicht?“
„Ich glaube, eine Brosche ist neutraler. Können Sie mir ein paar Sachen zur Auswahl vorlegen?“
„Aber gern!“ erwidert die Verkäuferin und taucht nach unten weg. Für einige Augenblicke hört man nur das Rascheln von Papier und das Geräusch von auf- und zuschnappenden Etuis. Als Miß Carner endlich wieder mit rotem Kopf auftaucht, balanciert sie eine Anzahl Etuis auf ihren Händen.
„Hier, wie gefällt Ihnen dieses Stück, Mylady? Sehr attraktiv. Brillantsplitter mit einem herrlichen Rubin...“
Sie hält der Schwarzgekleideten das Schmuckstück hin, doch die Dame hat sich offensichtlich etwas anderes vorgestellt. Ablehnend schüttelt sie den Kopf. „Das ist doch nicht das Richtige...“
Miß Carner legt ihr ein weiteres Schmuckstück vor. Es ist eine als Spinne gearbeitete Brosche.
Der Körper der Spinne, die auf einem wunderbaren Filigranuntergrund sitzt, ist ein kostbarer Brillant. Interessiert beugt sich die Lady über das kostbare Schmuckstück.
„Sehr schön“, flüstert ihre tiefe Stimme. „Wieviel kostet die
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