Ein Fall von Liebe
das wurde ihm so schwer, daß es ihm auf die Nerven ging. Er brauchte einen Drink. Er benutzte einen freien Augenblick, um hinauszustürzen und einen zu sich zu nehmen, obwohl es erst Nachmittag war. Aber nach dem einen verlangte es ihn nach einem zweiten. In der Abendpause spülte er fünf hinunter, wobei Hattie ihn mit ihren hervorquellenden Augen prüfend musterte.
»Du hast vielleicht die richtige Art gefunden, mit ihm umzugehen«, sagte sie. »Ich glaube, du hast ihn fertig gemacht. Aber sei um Gotteswillen vorsichtig. Du spielst ein gewagtes Spiel.«
Am nächsten Tag kam er mit einer Aktentasche zur Probe. Es war eine Flasche Whisky darin. Er ließ sie in dem kleinen Vorraum, und jedesmal, wenn er einen freien Augenblick hatte, ging er hinaus und nahm schnell einen Schluck. Das machte alles viel leichter. Mars’ Angriffe prallten einfach an ihm ab. Er ließ sich beschimpfen und beleidigen. Er lachte dem Regisseur heiter ins Gesicht. Er sah mehrmals, daß Mars ihn argwöhnisch beobachtete, wenn er glaubte, Charlie sähe nicht hin. Der Tag verging viel schneller als sonst.
Auch am Tage danach hatte er seine Aktentasche bei sich. Kaum daß er den Saal betreten hatte, kam Mars auf ihn zu. »Tag, Eierkopf. Sie sagten, Sie wollten sich an die Zusammenarbeit mit den anderen gewöhnen. Genügen drei Tage? Ich versuche geduldig zu sein, aber wann werden wir in den Genuß dieser großartigen Darstellungsgabe kommen?«
»Was ist denn nun schon wieder los?«
»Viel. Die heiteren Szenen sind nicht schlecht. Aber Ihre Liebesszenen sind miserabel. Könnten Sie sie nicht wenigstens etwas lebendiger darstellen?«
»Zu einer Liebesszene gehören zwei.«
»Ach Gott, wirklich? Um Stella kümmere ich mich. Ich spreche jetzt über Sie.«
»O. k., lassen Sie uns daran arbeiten. Sagen Sie mir nur, wie Sie’s wollen.«
»Seien Sie unbesorgt, das werde ich tun. Inzwischen finden Sie vielleicht die Zeit, die Szene im zweiten Akt mit Stella durchzugehen. Der kleine Vorraum draußen scheint es Ihnen angetan zu haben. Nehmen Sie sie mit.«
Die Tagesarbeit begann. Da er dank Mars’ Instruktionen kaum an die Flasche heran konnte, verging der Morgen für Charlie quälend langsam. Er ging die Szene mit dem Mädchen in dem Vorraum durch, wobei er unentwegt zu der Aktentasche hinschielte. Mars begann ihn mit kleinen Extraaufgaben zu behelligen, damit seine Beziehung zu dem Mädchen ungezwungener wurde. Es war eine fürchterliche Arbeit. Als sie zu der Szene im zweiten Akt kamen, ging bereits der Nachmittag dem Ende entgegen. Sie begannen mit ihr, und als sie die erste Hälfte geprobt hatten, sprang Mars von seinem Stuhl auf.
»Du lieber Gott. Sie sind in sie verliebt! Sie glauben, sie wird mit einem anderen durchbrennen.« Er schob Charlie zur Seite und rasselte seinen Text mit absurder Betonung herunter. »So. Ich weiß, das stellt Anforderungen an Ihre Phantasie. Sie ist ein Mädchen. Sie sollen sie lieben. Ach, diese Park Avenue-Schwulen. Sie sind...«
Charlie trat schnell einen Schritt vor und schwang die Faust und schlug zu. Andy Mills fiel zu seiner Befriedigung wie ein Sack hin. Er erhob sich langsam und rieb sich das Kinn. Einen Augenblick stand er zögernd da, dann zog er sich in eine sichere Entfernung zurück.
»Nun gut, Mills. Machen Sie, daß Sie rauskommen, und bleiben Sie weg.«
»Was glauben Sie, wer Sie sind? Ich habe einen Vertrag.«
»Warum gehen Sie dann nicht nach Hause und lesen ihn durch? Alle hier sind bis zum Ende des fünften Probentages nur auf Probe hier. Und der fünfte Tag ist morgen.«
Charlie hatte vage von solch einer Klausel gehört, aber nie war ihm der Gedanke gekommen, daß sie auf ihn angewandt werden könnte. Er konnte es einfach nicht glauben, daß er hinausgeworfen wurde. »Damit Sie’s wissen«, sagte er mit bewunderswert gespielter Sorglosigkeit, »ich habe sowieso nie in Ihrem idiotischen Stück auftreten wollen.«
»Noch in einem anderen hoffe ich um Ihretwillen. Der Verband wird einen Bericht hierüber gekommen. Betrunken bei Proben – ich weiß, was in der Aktentasche ist –, den Regisseur tätlich angreifend. Ich glaube nicht, daß Sie mit Angeboten überhäuft werden.«
»Sie machen mir Angst. Wie kommen Sie dazu, mich schwul zu nennen? Den Verband würde auch das interessieren.«
»Ich will von dem Geschwätz nichts mehr hören. Raus! Sie halten nur meine Probe auf.«
Charlie wandte sich an Hattie: »Kommst du?«
Sie funkelte ihn an. »Bist du nicht gescheit? Ich
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