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Ein feiner dunkler Riss - Lansdale, J: Ein feiner dunkler Riss

Ein feiner dunkler Riss - Lansdale, J: Ein feiner dunkler Riss

Titel: Ein feiner dunkler Riss - Lansdale, J: Ein feiner dunkler Riss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe R. Lansdale
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barsten, und dann stürzte er vollends hinunter. In der Mitte der Halle blieb ein klaffendes Loch zurück.
    Richard ließ die Sense los, und sie rutschte ebenfalls durch die Öffnung nach unten. Er drehte sich um, schaute mich an und setzte sich mit einem Plumps an der Wand auf den Boden, sodass ich befürchtete, das ganze vermoderte Gebäude würde in sich zusammenklappen. Es wackelte und bog sich und knackste und knarzte, doch schließlich rührte es sich nicht mehr.
    Nub hörte auf zu bellen. Regungslos lag er in meinen Armen, die Ohren aufgestellt. Nach und nach begann ich die Geräusche wahrzunehmen, die bereits die ganze Zeit von draußen hereindrangen.
    Das Zirpen der Grillen.
    In der Ferne eine Eule.
    Irgendwo heulten Hunde.

24
     
    Die Aufregung, die nach alldem einsetzte, ist mit Worten kaum zu beschreiben. Sicher, man hat eine gewisse Vorstellung von dem Trubel, den so etwas auslöst. Aber im Jahr 1958 war ein solches Verbrechen eine Sensation. Oder hätte es zumindest sein sollen. Außerhalb von Dewmont erlangte die Geschichte allerdings kaum Aufmerksamkeit. Sie sorgte nicht überall für Schlagzeilen, wie man es hätte erwarten sollen. Das war das Werk der Stadtväter – und von Mr Stilwind, dem die Zeitung gehörte.
    Richard und ich verpassten eine Woche Schule. Die Polizei befragte uns einige Tage lang, und wir standen unter einer Art mildem Hausarrest, ohne den Arrest allerdings, wenn man sich das vorstellen kann. Doch uns wurde deutlich zu verstehen gegeben, dass wir ohne ausdrückliche Erlaubnis nirgendwohin gehen durften.
    Die Polizei versuchte es so hinzustellen, als wären wir beide zusammen losgezogen, um Richards alten Herrn aus Rache dafür zu ermorden, dass er ihn hinausgeworfen hatte.
    Aber wir blieben bei unserer Version, nämlich der Wahrheit. Wir erzählten ihnen, wie wir den Hund ausgegraben hatten, weil Richard ihn auf die Terrasse legen wollte, damit sein Alter begriff, wie ihm zumute war.
    Das klang so bescheuert, dass sie es uns einfach glauben mussten. Abgesehen davon entsprach es der Wahrheit.
    Dann kamen die Journalisten, von denen jeder Einzelne versuchte, seinen ersten großen Knüller zu landen. Teilweise tauchten diese Versuche in einigen Nachrichtenblättern außerhalb vom Dewmont auf, aber die ganze Angelegenheit wurde immer wieder verharmlost, und die großen Zeitungen griffen sie nicht auf. Eine Meldung im hinteren Teil der Houstoner Zeitung, ein briefmarkengroßer Artikel in der Zeitung von Dallas und einige wenige Zeilen im Revolverblatt von Tyler. Wahrscheinlich hatten ein paar Geldscheine den Besitzer gewechselt.
    Natürlich habe ich der Polizei von den Gräbern erzählt, und Richard berichtete ihnen, dass all diese Menschen für seinen Vater gearbeitet hatten. Ich erzählte ihnen von Margret. Ich sagte ihnen, dass Chapman vielleicht auch Jewel Ellen umgebracht hatte. Das kam kurz darauf Mr Stilwind zu Ohren, und er posaunte überall herum, dass seine Tochter von einem verrückten Farmer ermordet worden sei.
    Dieser Teil der Geschichte schaffte es tatsächlich in die Zeitungen, und später war eigentlich nur noch davon die Rede, wie dieser Mann versuchte hatte, zwei Kinder umzubringen, und dass er den Tod der Tochter des angesehensten Bürgers der Stadt zu verantworten hatte.
    Margret ging bei alldem völlig unter. Genau wie die Feldarbeiter, ausnahmslos Schwarze und Mexikaner, die Chapman ermordet hatte. Es ging nur noch um Jewel Ellen. Alles andere waren lediglich Randnotizen.
    Mrs Chapman sagte aus, sie habe ihren Ehemann geliebt und nichts von dem, was er getrieben hatte, geahnt. Als Richard darauf beharrte, sie müsse davon gewusst haben, wollte ihm niemand zuhören – geschweige denn ihm Glauben schenken. Auch die Sache mit den Schlägen, die sie mit Freuden ausgehalten hatte, nahm ihm keiner ab. Allerdings wurde sie gebeten fortzuziehen, und das tat sie auch, und soweit ich weiß, hat niemand je wieder etwas von ihr gehört oder gesehen.
    Jahre später habe ich oft an sie gedacht. Was hatte sie wohl alles getan, nur um ihrem Mann gefällig zu sein? Was tat sie wohl, nachdem sie Dewmont verlassen hatte? Manchmal, wenn ich solchen Gedanken nachhänge, läuft es mir kalt den Rücken hinunter.
    Draußen auf der Farm der Chapmans entdeckte man eine ganze Reihe von Gegenständen, die jenen Menschen gehört hatten, die er umgebracht hatte. Wie eine Elster hatte er ihre Habseligkeiten gesammelt und einen kleinen Schatz angehäuft. Geldbeutel, Ringe, Schals und sogar

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