Ein Feuer Auf Der Tiefe
Schulter. »Stimmt. Und richtige Mörder kündigen ihre Tat für gewöhnlich nicht vorher an.« Doch in seiner Stimme lag mehr Mitgefühl als Überzeugung. »Wir wissen noch nicht, dass das mehr als ein einzelner Großsprecher wäre. Es ist nicht definitiv von Schiffbewegungen die Rede. Was können sie letzten Endes tun?«
Ravna stemmte sich vom Tisch hoch. »Nicht viel, hoffe ich. Es gibt Hunderte von Zivilisationen mit kleinen Ansiedlungen von Menschen. Gewiss haben sie Vorsichtsmaßnahmen getroffen, seit das mit ›Tod dem Ungeziefer‹ angefangen hat… Bei den MÄCHTEN, ich wünschte, ich wüsste, dass Sjandra Kei in Sicherheit ist.« Es war mehr als zwei Jahre her, seit sie Lynne und ihre Eltern gesehen hatte. Manchmal erschien ihr Sjandra Kei wie aus einem anderen Leben, aber schon zu wissen, dass es vorhanden war, war tröstlicher, als ihr bewusst gewesen war. Jetzt aber…
Auf der anderen Seite des Steuerdecks waren die Skrodfahrer dabei, die Liste der nötigen Reparaturen aufzustellen. Nun rollte Blaustiel auf sie zu. »Ich habe wirklich Angst um die kleinen Siedlungen, aber die Menschen von Sjandra Kei sind die Triebkraft dieser Zivilisation, sogar der Name ist menschlich. Jeder Angriff auf sie wäre ein Angriff auf die gesamte Zivilisation. Grünmuschel und ich haben dort oft genug Handel getrieben, auch mit den Streitkräften der Sicherheitsgesellschaft von Sjandra Kei. Nur Narren oder Bluffer würden eine Invasion vorher ankündigen.«
Ravna überlegte, und ihre Miene hellte sich auf. Die Dirokime und Lopher würden jeder Bedrohung der Menschheit auf Sjandra Kei entgegentreten. »Tja. Wir haben da kein Ghetto.« Für isolierte Menschengruppen konnten die Dinge sehr schlecht stehen, aber mit Sjandra Kei würde alles in Ordnung sein. »Bluffer. Nun ja, es heißt nicht umsonst das Netz der Million Lügen.« Sie verdrängte die Sorgen, auf die sie keinen Einfluss hatte, aus ihren Gedanken. »Aber eins ist klar. Wenn wir bei Harmonische Ruhe Halt machen, müssen wir verdammt sicher sein, dass nichts an uns an Menschen erinnert.«
Und natürlich gehörte dazu, den Anschein alles Menschlichen zu vermeiden, dass von Ravna und Pham nichts zu bemerken war. Die Skrodfahrer würden alle ›Gespräche‹ übernehmen. Ravna und die Fahrer gingen sämtliche Außenprogramme des Schiffs durch und merzten menschliche Nuancen aus, die sich seit dem Abflug von Relais dort eingeschlichen hatten. Und wenn wirklich jemand zu ihnen an Bord kam? Nun, eine gezielte Suche würden sie niemals überstehen, doch sie isolierten alle menschlichen Gegenstände in einem Laderaum mit vorgetäuschten Jupiter-Bedingungen. Die beiden Menschen würden sich dort verstecken, wenn nötig.
Pham Nuwen überprüfte, was sie taten – und fand mehr als eine Unachtsamkeit. Für einen Programmierer von den Barbaren war er nicht übel. Aber sie kamen ohnehin schnell in die Tiefen, wo die beste Computerausrüstung nicht viel raffinierter war als das, was er von früher her kannte.
Ironischerweise konnten sie eines nicht verbergen: dass die ADR von der Obergrenze des Jenseits stammte. Gewiss, das Schiff war ein Grundschlepper und beruhte auf einer Konstruktion aus dem Mittleren Jenseits. Aber die Umrüstung zeigte eine Eleganz, deren fast übermenschliche Kompetenz ins Auge sprang. »Das verdammte Ding vermittelt dasselbe Gefühl wie eine Axt, die in einer Fabrik hergestellt worden ist« – so formulierte es Pham Nuwen.
Die Sicherheitsvorkehrungen der RIP-Leute machten Mut: eine formale Geschwindigkeitskontrolle und keine Überprüfung an Bord. Die ADR sprang in das System und brachte mit dem Raketentriebwerk Position und Geschwindigkeit mit dem Herzstück von Harmonische Ruhe und ›Sankt (?) Rihndells Reparaturhafen‹ in Übereinstimmung. (Pham: »Wenn man ein ›Heiliger‹ ist, muss man ehrlich sein, oder?«)
Die Aus der Reihe befand sich über der Ekliptik und an die achtzig Millionen Kilometer von RIPs einzigem Stern entfernt. Selbst wenn man wusste, was man zu erwarten hatte, war der Anblick sehenswert: Das innere System war so staubig oder gaserfüllt wie die Wiege eines Sterns, obwohl das Zentralgestirn ein drei Milliarden Jahre alter Stern vom G-Typ war. Die Sonne war von Millionen Ringen umgeben, atemberaubender als jeder Ring um einen Planeten. Die größten und hellsten lösten sich in Myriaden weiterer auf. Sogar in direkter Ansicht gab es kräftige Farben, Fäden von Grün und Rot und Violett. Auf der Ringebene wellten
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