Ein Feuer Auf Der Tiefe
auftreten – sieh dir die Fragen an, die Jefri für Stahl stellt. Der Kerl schlägt auf den Busch, er versucht herauszubekommen, woran uns wirklich gelegen ist: an dem Flüchtlingsschiff, an Jefri und den Kälteschläfern oder an etwas im Schiff. Bis wir eintreffen, wird Stahl wahrscheinlich die örtliche Opposition ausgerottet haben – mit unserer Hilfe. Ich vermute, wenn wir die Klauenwelt erreichen, steht uns ein schwerer Fall von Erpressung bevor.«
Und ich dachte, wir reden von den guten Neuigkeiten. Ravna blätterte in den jüngsten Botschaften zurück. Pham hatte Recht. Der Junge sagte die Wahrheit, so gut er sie kannte, aber… »Ich sehe nicht, wie wir irgend anders vorgehen könnten. Wenn wir Stahl nicht gegen die Holzschnitzer helfen…«
»Tja. Wir wissen nicht genug, um viel anderes tun zu können. Was immer sonst die Wahrheit sein mag, die Holzschnitzer scheinen eine ernste Bedrohung für Jefri und das Schiff zu sein. Ich sage nur, wir sollten an alle Möglichkeiten denken. Was wir auf keinen Fall tun dürfen, ist, Interesse an dem GEGENMITTEL zu zeigen. Wenn die Einheimischen wissen, wie verzweifelt uns daran gelegen ist, haben wir keine Chance.
Und vielleicht ist es an der Zeit, uns unsererseits ein paar Lügen zurechtzulegen. Stahl hat davon gesprochen, dass er einen Landeplatz für uns bauen will – innerhalb seiner Burg. Die ADR kann unmöglich da hinein passen, aber ich denke, wir sollten mitspielen, Jefri sagen, dass wir uns von unserem Ultraantrieb lösen können, etwas in der Art seines Containerschiffes. Soll sich Stahl darauf konzentrieren, harmlose Fallen zu bauen…«
Er summte eine seiner seltsamen kleinen ›Marschmelodien‹. »Was das Radio betrifft: Warum sollten wir den Klauenwesen nicht einfach gelegentlich ein Kompliment machen, dass sie unsere Konstruktion verbessert haben? Ich bin gespannt, was sie antworten werden…«
Pham Nuwen erhielt seine Antwort in weniger als drei Tagen. Jefri Olsndot sagte, er habe die Optimierung durchgeführt. Wenn man also dem Jungen glaubte, gab es keine Anzeichen für verborgene Computer. Pham war nicht ganz überzeugt: »Wir haben also rein zufällig Isaac Newton am anderen Ende der Strippe?« Ravna widersprach nicht. Es war wirklich ein enormes Stück Glück, doch… Sie ging die früheren Botschaften durch. In Sprache und Allgemeinwissen schien der Junge sehr normal für sein Alter. Doch gelegentlich gab es Situationen, die mathematisches Verständnis voraussetzten – keine formale Schulmathematik –, wo Jefri frappierende Dinge sagte. Manche von diesen Gesprächen hatten unter guten Bedingungen stattgefunden, mit Zeitverzögerungen von weniger als einer Minute. Es wirkte alles zu sehr wie aus einem Guss, als dass es die Lüge sein konnte, die Pham Nuwen vermutete.
Jefri Olsndot, du bist jemand, dem ich sehr gern begegnen möchte.
Etwas war immer: Probleme mit den technischen Entwicklungen der Klauenwesen, Ängste, die mörderischen Holzschnitzer könnten Herrn Stahl überrennen, Sorgen wegen der noch immer schlechter werdenden Antriebsdorne und der Zonenturbulenz, die das Fortkommen der ADR noch mehr verzögerte. Das Leben war abwechselnd und gleichzeitig deprimierend, langweilig, beängstigend. Und dennoch…
Eines Nachts, etwa im vierten Flugmonat, erwachte Ravna in der Kabine, die sie nun mit Pham teilte. Vielleicht hatte sie geträumt, aber sie konnte sich an nichts erinnern, außer dass es kein Alptraum gewesen war. Es gab kein besonderes Geräusch im Raum, nichts, das sie hätte wecken können. Neben ihr schlief Pham tief in ihrer Hängematte. Sie ließ den Arm seinen Rücken hinab gleiten und zog ihn sacht an sich. Sein Atem änderte sich, er murmelte etwas Friedvolles und Unverständliches. Nach Ravnas Ansicht war Sex bei Schwerelosigkeit nicht die tolle Erfahrung, für die manche Leute ihn ausgaben; aber wirklich mit jemandem zu schlafen – das war bei Schwerelosigkeit viel hübscher. Eine Umarmung war dann leicht und dauerhaft und mühelos.
Ravna schaute sich in der schwach erleuchteten Kabine um und versuchte sich vorzustellen, wovon sie aufgewacht war. Vielleicht waren es einfach die Probleme des Tages gewesen – davon hatte es, wissen die MÄCHTE, genug gegeben. Sie schmiegte ihr Gesicht an Phams Schulter. Ja, immerzu Probleme, aber… in mancher Beziehung war sie zufriedener als seit Jahren. Gewiss gab es Probleme. Die Lage des armen Jefri. All die Leute, die bei Straum und Relais umgekommen waren. Doch sie hatte
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