Ein Feuer Auf Der Tiefe
dauern wird, bis Blaustiel verdorben wird. Wir können sie weder mitnehmen noch absetzen.«
Ravna schwebte zur Seite, den Blick an seine Hände geheftet. »Überleg dir, wen du tötest, Pham«, sagte sie leise. »Wie du sagtest, ich hatte dreißig Stunden, um über meine Entscheidungen nachzudenken, und über deine auch.«
»So.« Pham hob die Hände von der Steuerung. Wut (die Gottsplitter?) durchfuhr für kurze Zeit sein Denken. Ravna, Ravna, Ravna – eine Stimme in seinem Kopf sagte Lebwohl. Dann wurde alles sehr kalt. Er hatte solche Angst gehabt, die Skrodfahrer hätten das Schiff pervertiert. Statt dessen hatte diese dumme Närrin das für sie erledigt, freiwillig. Er schwebte langsam an sie heran. Fast gedankenlos hielt er Arm und Hand kampfbereit. »Wie gedenkst du mich daran zu hindern, zu tun, was getan werden muss?« Doch er ahnte es schon.
Sie wich nicht zurück, selbst, als seine Hand nur noch Zentimeter von ihrer Kehle entfernt war. In ihrem Gesicht standen Mut und Tränen. »W-was meinst du wohl, Pham? Während du im Chirurgen warst…, habe ich einiges neu geordnet. Verletze mich, und du wirst schlimmer verletzt werden.« Ihr Blick glitt über die Wände hinter ihm. »Töte die Skrodfahrer, und… und du wirst sterben.«
Für einen langen Moment starrten sie einander an, abschätzend. Vielleicht waren in den Wänden keine Waffen versteckt. Wahrscheinlich konnte er sie töten, ehe sie sich zu wehren vermochte. Doch dann gab es tausend Möglichkeiten, wie das Schiff programmiert sein konnte, ihn zu töten. Und alles bliebe den Skrodfahrern überlassen – hinabzufliegen zum Grund, zum Ziel ihrer Wünsche. »Was tun wir also?«, sagte er schließlich.
»N-nach wie vor fliegen wir Jefri zu Hilfe. Und um das GEGENMITTEL wiederzugewinnen. Ich bin bereit, den Skrodfahrern gewisse Beschränkungen aufzuerlegen.«
Ein Waffenstillstand mit Ungeheuern, vermittelt von einer Närrin.
Er stieß sich ab und schwebte in den Achsenkorridor. Hinter sich hörte er ein Schluchzen.
Die nächsten paar Tage gingen sie einander aus dem Weg. Pham hatte auf niederer Ebene Zugang zur Schiffsteuerung. Er fand Selbstmordprogramme in die Anwendungsschichten eingearbeitet. Doch seltsam – und Anlass zu Verdruss, wenn er dazu imstande gewesen wäre: Die Veränderungen waren um Stunden jüngeren Datums als seine Auseinandersetzung mit Ravna. Sie hatte nichts gehabt, als sie sich ihm entgegenstellte. Den MÄCHTEN sei Dank, dass ich es nicht wusste. Der Gedanke war vergessen, fast ehe er sich gebildet hatte.
So. Das Rätsel würde bis zu Ende andauern, ein fortgesetztes Spiel von Lüge und List. Grimmig nahm er sich vor, dieses Spiel zu gewinnen. Flotten hinter ihm, Verräter um ihn. Bei der Dschöng Ho und seinen eigenen Gottsplittern, die PERVERSION würde verlieren. Die Skrodfahrer würden verlieren. Und bei all ihrem Mut und ihrer Güte würde Ravna Bergsndot verlieren.
DREISSIG
Tyrathect war im Begriff, den Kampf in ihrem Innern zu verlieren, den Kampf mit dem Flenser. Oh, es war noch längst nicht entschieden, man sollte wohl lieber sagen, dass sich das Blatt gewendet hatte. Zu Beginn hatte es kleine Triumphe gegeben, etwa, als sie Amdijefri allein mit dem Kom-Gerät hatte spielen lassen, ohne dass auch nur die Kinder selbst ahnten, dass sie dahinter steckte. Doch das alles lag viele Zehntage zurück, und nun… An manchen Tagen war sie völlig Herr über sich selbst. An anderen – und diese kamen ihr oft als die glücklichsten vor – schien es zunächst, als ob sie die Kontrolle hätte.
Es war noch nicht klar, was für eine Sorte Tag das heute sein würde.
Tyrathect schritt an den Bretterzäunen entlang, die die Burgmauern krönten. Das Bauwerk war gewiss neu, aber wohl noch kaum eine Burg. Stahl hatte in panischer Eile gebaut. Die Süd- und die Westmauern waren sehr dick, von Gängen durchzogen. Aber es gab Stellen an der Nordseite, die einfach nur Palisaden mit Geröll dahinter waren. Mehr war in der kurzen Frist, die Stahl zur Verfügung stand, nicht zu schaffen. Für einen Moment blieb sie stehen und atmete den Geruch frisch gesägten Bauholzes ein. Der Blick den Schiffsberg hinab war so schön wie eh und je. Die Tage wurden länger. Jetzt gab es nur Zwielicht zwischen Sonnenunter- und -aufgang. Der Schnee in der Gegend hatte sich auf die üblichen Sommerflecken zurückgezogen und Heidekraut zurückgelassen, das sich in der Wärme grün färben sollte. Von hier aus konnte sie meilenweit sehen,
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