Ein Freund des Verblichenen
Breschnew oder Schtscherbitzkij zu kommen. Aber das klappte nicht. Die Kette kam gar nicht erst in Gang.
Und jetzt plötzlich, sicher aus der Verzweiflung über mein Leben und meine Lage fing ich an zu verstehen, wie man dieses Spiel hier in unserem Land spielen muß. Hier müßte man mit einem Mörder verbunden werden. Es gibt viele, sie leben unter uns, und einige von ihnen verhehlen noch nicht einmal sonderlich ihre Art von Beschäftigung. Vor zehn Jahren kannte ich wenigstens zwei Mörder, die ihre Strafe abgesessen hatten, ganz normale, umgängliche Typen, die sogar sehr hilfsbereit waren. Freilich, damals waren die Mörder anders, sie waren romantischer.
Jetzt geht alles um Geld, und das Morden ist für manche sogar ein recht gutbezahlter Beruf geworden. Sogar ein neues englisches Wort benutzen sie dafür: Killer, getreu der amerikanischen Tradition, die Bezeichnung und das Image von ungelernten und schlecht beleumdeten Berufen aufzubessern. Ich erinnere mich, wie die Amerikaner einen Straßenreiniger oder einfach einen Hauswart in einen ›Ingenieur des städtischen Sanitärbereichs‹ umbenannten. Aber da war der Grund für Umbenennungen einfach und verständlich: Man wollte den Straßenreinigern mehr Selbstvertrauen und Selbstachtung einflößen.
Bei uns hat sich das anders ergeben. Eben so, daß ein Mörder höherer Qualifikation, der ausschließlich auf Auftrag arbeitet, den Titel eines Killers erhält. Und der alte, frühere Typ von Killer, der alltägliche romantische, der nach einem Besäufnis oder aus Eifersucht mordet, bleibt ein einfacher Mörder. Solche jagen sie und sperren sie ein, während der Killer unsichtbar und frei wie ein Vogel bleibt. Diese Gedankengänge brachten mich wie von selbst auf ein Thema, das schon viele Male versucht hatte, sich aus meinem Unterbewußtsein hochzuarbeiten. Schließlich hatte ich schon seit mehreren Jahren nach einem Ausweg aus der Sackgasse meiner Lebenssituation gefahndet. Aber ich hatte diesen Ausweg mehr in meiner Vorstellung, in meiner Phantasie gesucht. Und jetzt bot sich der Ausweg von selbst an – kein Ausweg aus der Situation, sondern aus dem Leben selbst. Für einen Selbstmörder liebte ich das Leben zu sehr, aber als Opfer eignete ich mich hervorragend.
Ein wunderbares Beispiel für die Ungerechtigkeit des Schicksals, ein kluger talentierter Mann in den besten Jahren und in irgendwessen Auftrag ermordet! Der Ruhm, den das Opfer eines Auftragsmordes genießt, kitzelte meine Nerven.
Ich stellte mir die Bestürzung meiner vielen Bekannten vor, die sofort begreifen würden, daß sie praktisch nichts von mir wußten, daß dieser Mensch, den sie gekannt hatten, mit dem sie Kaffee und Wein getrunken hatten, doch nicht in Geschäfte verwickelt sein konnte, die Auseinandersetzungen oder gar einen Auftragsmord nach sich ziehen würden.
Ich stellte mir vor, wie sie alle bei der Kriminalpolizei saßen, die Dutzende von lästigen Fragen stellte. ›Hatte er Feinde?‹, ›Womit hat er sein Geld verdient?‹, ›Wer könnte Interesse an seinem Tod gehabt haben?‹ und so weiter.
Ich mußte nur noch einen erschwinglichen Killer finden, das Geld für sein Honorar auftreiben, und dann würde der von mir ideal ausgedachte Mord ein weiteres ungelöstes Rätsel werden. Ein sinnloses Leben effektvoll zu beenden, reizte mich. Und bei den rätselhaften Morden gibt es noch einen bestechenden Aspekt – man schreibt häufig in Zeitungen und Büchern über sie, man erinnert sich an alle Einzelheiten und an den Namen des Opfers, so daß ich eine reale Chance hatte, wenn schon nicht für alle Ewigkeit, so doch für lange Zeit im Gedächtnis der Menschheit zu bleiben.
3
Der Herbst ließ sich Zeit mit seinem Kommen. Oder die Natur hatte zuwenig Geld für die roten und gelben Farben, als ahme sie die leidvolle finanzielle Lage des Landes nach. Es wurde zwar kälter, und abends nieselte es ein bißchen, aber ein ausgeprägtes Bild von der welkenden Natur wollte sich nicht einstellen. Man sah, wie die Menschen dahinwelkten, und ich selbst sah meinem eigenen Welken im Spiegel zu. Freunde riefen an, um zu verkünden, wie schlecht es ihnen ginge. Statt ihnen zu antworten, schwieg ich und spann meine kostbare Idee von einem idealen Ausweg aus der Sackgasse des Lebens weiter, ohne jemandem ein Wort davon zu verraten.
Meine Frau kam später als gewöhnlich nach Hause, manchmal nach Mitternacht. Sie zog sich im Dunkeln aus und legte sich in ihre Ecke der Bettcouch unter ihre Decke.
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