Ein Ganz Besonderer Fall
Königin ihr zuvorgekommen und bei einem geheimen Treffen mit Henry in Guildford auf erheblich mehr Sympathie gestoßen sei als die Kaiserin. Und zweifellos hatte Maud davon gehört. Denn die jüngsten Neuigkeiten, die von Nachzüglern aus dem Süden auf dem Jahrmarkt der Abtei feilgeboten wurden, gingen dahin, daß die Kaiserin mit einer eilig ausgehobenen Armee gegen Winchester marschiert sei und im Königsschloß Quartier bezogen habe. Die Spekulationen über ihren nächsten Schachzug mochten dem Bischof, selbst in seiner eigenen Stadt, einige Sorgen bereiten.
Unterdessen schien hier in Shrewsbury die Sonne, die Abtei feierte in gemessener Freude ihre jungfräuliche Heilige, die Herden gediehen, die Ernte reifte und wurde bei prächtigem Wetter eingeholt, der Jahrmarkt nahm in den ersten drei Augusttagen seinen munteren Lauf, von nah und fern kamen Händler und machten gute Geschäfte, kassierten ihre Gewinne, tätigten günstige Einkäufe und gingen friedlich wieder auseinander, um in ihre Heimat zurückzukehren, als existierten weder König noch Kaiserin und als hätten diese beiden nicht die Macht, die Bewegungen der gewöhnlichen, vernünftigen Menschen zu behindern oder gar ihr Leben zu bedrohen.
»Dann habt Ihr nichts Neues gehört, seit die Händler aufbrachen?« fragte Cadfael, während er die gebleichten Spuren musterte, die deren Stände hinterlassen hatten.
»Noch nichts. Es scheint, als beäugten sie sich gegenseitig in der Stadt, und als wartete jeder darauf, daß der andere den ersten Zug macht. Winchester hält den Atem an. Als letztes hörte ich, daß die Kaiserin nach Bischof Henry schickte, um ihn auf ihre Burg einzuladen. Er hätte freundlich antworten lassen, daß er sich auf das Treffen vorbereite. Doch hat er bisher noch keinen Fuß gerührt, um sich dem Treffpunkt zu nähern.
Dennoch«, sagte Hugh nachdenklich, »möchte ich wetten, daß er sich darauf vorbereitet. Sie hat ihre Streitkräfte aufgeboten, und er wird die seinen zusammenrufen, ehe er sich ihr nähert - falls er das überhaupt tut!«
»Und während sie den Atem anhalten, könnt Ihr um so freier atmen«, erwiderte Cadfael listig.
Hugh lachte. »Solange meine Feinde miteinander zanken, denken sie wenigstens nicht an mich und an mein Land. Selbst wenn sie sich einigen und sie ihn wieder für sich gewinnt, kann die Partei des Königs einen Aufschub von mindestens ein paar Wochen genießen. Wenn nicht - nun, besser, sie zerfleischen sich gegenseitig, als ihre Pfeile für uns aufzusparen.«
»Glaubt Ihr, er könnte sich gegen sie wenden?«
»Sie hat ihn so überheblich behandelt wie alle anderen, obwohl er ihr zu Diensten war. Jetzt hat er sich trotzig von ihr abgewendet, doch mag er darauf kommen, daß sie auf eine Abfuhr sehr unfreundlich reagieren könnte, und daß ein Bischof ebenso leicht in Eisen gelegt werden kann wie ein König, sobald sie ihn in der Hand hat. Nein, ich glaube, der hohe Herr verstärkt seine Burg Wolvesey, um, falls nötig, einer Belagerung zu widerstehen, und er ruft wohl eilig seine Männer zusammen. Wer mit der Kaiserin verhandelt, tut dies am besten mit einer Armee im Rücken.«
»Mit der Armee der Königin im Rücken?« fragte der scharfsinnige Cadfael.
Hugh hatte sein Pferd schon zur Stadt gewendet, doch nun blickte er mit blitzenden Augen über seine nackte braune Schulter zurück. »Das werden wir sehen! Ich möchte wetten, daß der erste Kurier, den er um Hilfe ausschickte, zur Königin Matilda ging.«
»Bruder Cadfael…« begann Oswin, der sorglos neben Cadfael zum Stadtrand trottete, wo sich Hospiz und Kapelle schlicht und grau hinter dem langen Rutenzaun erhoben.
»Ja, mein Sohn?«
»Würde es die Kaiserin denn wirklich wagen, Hand an den Bischof von Winchester zu legen? An den Legaten des Heiligen Vaters?«
»Wer kann das sagen? Allerdings schreckt sie vor kaum etwas zurück.«
»Aber… es könnte doch einen Kampf zwischen ihnen geben…«
Oswin blies die jungen runden Wangen auf und schnaufte verwundert und mißbilligend. Es schien ihm unvorstellbar.
»Bruder, Ihr seid in der Welt herumgekommen und habt Erfahrung mit Kriegen und Schlachten. Und ich weiß, daß Ihr mit Bischöfen und großen Kirchenmännern auf den Kreuzzug gegangen seid. Aber sollten sie wirklich für eine geringere Sache die Waffen in die Hand nehmen?«
Was sie tun und lassen, dachte Cadfael, das müssen sie beim Jüngsten Gericht mit ihrem Richter abmachen, aber daß sie die Waffen erhoben hatten und sie
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