Ein Ganz Besonderer Fall
habe ein roter Schein über der Stadt gelegen, der flackerte wie bei einem heftigen Brand.«
»Das könnte die Wahrheit sein«, erwiderte Cadfael. Er nagte nachdenklich an der Unterlippe. »Es würde mich nicht wundern.
Die letzten zuverlässigen Nachrichten,die wir erhielten, besagten, daß Kaiserin und Bischof sich vorsichtig belauerten und günstige Ausgangspositionen suchten. Ein wenig Geduld… aber die Kaiserin war nie sehr geduldig. Ich frage mich, ob sie ihn jetzt belagert. Wie lange mag Euer Mann unterwegs gewesen sein?«
»Ich glaube, daß er sich so sehr beeilte, wie er konnte«, erwiderte Simon, »aber ich würde sagen, mindestens vier Tage.
Damit ist seine Geschichte eine Woche alt, und bisher haben wir kein anderes Wort, sie zu bestätigen.«
»Wenn sie wahr ist, werden wir es hören«, sagte Cadfael grimmig, »das ist gewiß! Von allen Neuigkeiten, die durch die Welt fliegen, reisen die schlechten Nachrichten am schnellsten!«
Er dachte immer noch über diesen unheildrohenden Schatten nach, als er sich durch die Vorstadt auf den Rückweg machte, und war so tief in seine Gedanken versunken, daß seine Grüße an Bekannte verspätet und sehr abwesend kamen. Es war fast Mittag, auf der Straße herrschte reges Treiben, und außerhalb der Stadtmauern waren nur wenige Menschen unterwegs, die er nicht kannte. Er hatte viele von ihnen, auch die Kinder, während seiner Zeit im Kloster behandelt; manchmal sogar ihre Tiere, denn wer sich mit den Krankheiten der Menschen auskennt, kann nicht umhin, hier und dort auch einiges Wissen über die Krankheiten der Tiere aufzuschnappen. Die Tiere besaßen eine ebenso große Leidensfähigkeit wie ihre Herren, jedoch viel weniger Mö glichkeiten und eine viel geringere Neigung, sich zu beklagen. Cadfael hatte sich oft gewünscht, daß die Menschen ihre Tiere besser behandelten, und er versuchte ihnen zu zeigen, wie man sie vernünftig pflegte. Das Schicksal der im Krieg benutzten Pferde hatte zu jenem seltsamen, langsamen Prozeß in seinem Innern beigetragen, der ihn schließlich vom Schlachtfeld ins Kloster geführt hatte.
Leider konnte man nicht behaupten, daß alle Äbte und Prioren ihre Maultiere und Herdentiere besser behandelten.
Doch wenigstens die besten und klügsten unter ihnen hielten dies für geraten und betrachteten es als ihre Christenpflicht.
Aber nun, was geschah da nur in Winchester, daß der Himmel am Tage schwarz und in der Nacht rot wurde? Wie die Säulen aus Rauch und Feuer, die den Erwählten einen Weg durch die Wildnis wiesen, hatten diese Zeichen die Flucht des Bettlers aus der Gefahr begleitet. Cadfael hatte keinen Grund, den Bericht anzuzweifeln. Ein solches Zeichen war zu erwarten gewesen, denn der heiße, trockene Sommer, der nahe Verwandte des Feuers, stand mit brennender Fackel bereit.
Aber welch eine Närrin mußte diese Frau sein, den Bischof in seiner eigenen Burg in seiner eigenen Stadt zu belagern, während die Königin, die ihr zumindest ebenbürtig war, nicht weit entfernt eine starke Armee führte und die Londoner inzwischen ihre unversöhnlichen Feinde waren. Und wie verbittert mußte der Bischof ihr gegenüber sein, da er alles wagte und ihr trotzte. Natürlich würden diese beiden hochgestellten Personen gut beschützt überleben. Aber was war mit den einfachen Menschen, die sie ins Verderben schickten? Mit den armen Händlern und Handwerkern und Arbeitern, die keine schützenden Festungen besaßen?
Er hatte sich in seiner Meditation von der Sorge für Pferde und Vieh entfernt und sich den Leiden der Menschen zugewandt, und nun schrak er zusammen, als sich in einem Moment, da der Verkehr auf der Straße schwächer wurde, von hinten der klappernde, stetige Hufschlag von Maultieren näherte. Er blieb an der Ecke des Pferdemarktes stehen und blickte zurück, und er mußte nicht weit blicken, denn sie waren nahe.
Es waren zwei, ein schönes, großes und fast rein weißes Tier, passend für einen Abt, und ein kleines, leichteres, hellbraunes, das zierlich ein oder zwei Schritte hinter dem ersten lief. Doch was Cadfael veranlaßte, sich ihnen voll zuzuwenden und überrascht ihr Kommen abzuwarten, war die Tatsache, daß beide Reiter das Schwarz der Benediktiner trugen. Sie waren Brüder, füreinander und für ihn. Offenbar hatten sie seine Kutte schon vorher bemerkt und sich beeilt, ihn einzuholen, denn als er stehenblieb und sie als Brüder erkannte, verlangsamten sie den Schritt ihrer Maultiere und hielten vor ihm an.
»Gott
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