Die Hexenfalle
1
Boris Slivka kippte ein weiteres Glas Wodka pur in sich
hinein und musterte mich dann stieren Blicks, wobei ein Lächeln in seinem
Bernhardinergesicht aufdämmerte. »Die Diskothek ist wirklich ganz lustig«, vertraute
er mir in heiserem Flüsterton an. »...diese Musik und die komischen Pärchen auf
der Tanzfläche.«
Ich
ließ den Blick durch die spärlich beleuchtete Bar wandern, konnte jedoch nur
ein halbes Dutzend Leute entdecken, die ausnahmslos so wirkten, als litten sie
bereits unter frühmorgendlichem Katzenjammer. Es schien mir
Energieverschwendung, Boris auseinanderzusetzen, daß wir die Diskothek bereits
vor geraumer Zeit verlassen hatten; folglich unternahm ich auch erst gar nicht
den Versuch. Etwa zehn Sekunden später stellte Boris sein Glas behutsam auf den
Tisch zurück und verfiel in eine Art Trance, was mir Gelegenheit gab, mich auf
die dritte Person in unserer Runde zu konzentrieren, deren rosa Haarfarbe, wie
ich hoffte, nur auf einen Beleuchtungseffekt zurückzuführen war.
»Hallo!«
Ich schenkte ihr ein aufmunterndes Lächeln. »Mein Name ist Larry Baker .«
»Ich
weiß .« Sie seufzte tief. »Das haben Sie mir schon vor
drei Stunden verraten .«
»Tatsächlich?«
Ich versuchte krampfhaft, mich zu erinnern, aber es hätte eines Historikers
bedurft, so tief in der Vergangenheit zu schürfen. »Und wer sind Sie ?«
»Zum fünftenmal : Elaine Langdon !«
»Natürlich,
jetzt erinnere ich mich«, schwindelte ich. »Boris hat Sie mitgebracht, nicht
wahr ?«
»Nein,
ich saß an der Hotelbar und hatte mir gerade einen Drink bestellt, als Sie und
Ihr Freund darauf bestanden, mir Gesellschaft zu leisten«, erwiderte sie spitz.
»Sie ließen sich auch nicht davon abbringen, daß ich Ihnen helfen sollte, die
Vollendung Ihres neuen Fernsehspiels zu feiern. Törichterweise dachte ich, ein
Abend mit zwei Fernsehautoren könnte ganz amüsant sein. Seither waren wir in
fünf verschiedenen Bars und einer Diskothek, wo Sie sich beide weigerten zu
tanzen, weil das Ihren Alkoholkonsum beeinträchtigt hätte. Jetzt sind wir in
diesem Totenhaus gelandet. Ihr Freund ist bereits hinüber, und Sie können sich
nicht einmal mehr an meinen Namen erinnern .« Sie holte
tief Luft. »Noch ein Glas, und Sie liegen lang auf dem Boden. Ich werde wohl
besser ins Hotel zurückfahren und mich schlafen legen. Zu Dank verpflichtet bin
ich Ihnen für diesen stinklangweiligen Abend jedenfalls nicht !«
Ich
unternahm eine gewaltige Anstrengung, meine Augen zu koordinieren, offenbar mit
Erfolg, denn plötzlich hatte ich sie im Visier. Die rosa Ponyfrisur umschloß
ihren Kopf wie eine Kappe und endete erst etwa einen Zentimeter über
unschuldsvollen blauen Augen. Die rosa Lippen litten offensichtlich unter einem
akuten Mangel an männlicher Betreuung. Sie trug ein ärmelloses Jerseykleid,
natürlich shocking pink — was wohl auch sonst? —, das sich eng um ihre
spitzen kleinen Brüste schmiegte und von der schmalen Taille abwärts weiter
wurde, bis es etwa fünfzehn Zentimeter über den wohlgeformten Knien endete.
»Sie
sind hübsch«, sagte ich feierlich.
Sie
zuckte ungeduldig die Schultern. »Sie riechen nach Schnaps und wissen
vermutlich überhaupt nicht, was Sie sagen .«
»Ich
meine es ernst«, erwiderte ich. »Was habe ich nur während der vergangenen drei
Stunden gemacht, daß ich Sie gar nicht wahrgenommen habe ?«
»Getrunken«,
fauchte sie. »In der ersten halben Stunde haben wir uns sogar mal unterhalten,
doch das wissen Sie garantiert nicht mehr .«
»Habe
ich Ihnen die Geschichte meines Lebens anvertraut ?« Ich zuckte bei der Vorstellung zusammen.
Sie
nickte. »Einiges davon. Und dann habe ich Ihnen von mir erzählt. Damit sind wir
also quitt .«
»Meine
Lebensgeschichte ist mir nicht ganz unbekannt«, sagte ich, »aber wie wäre es,
wenn Sie mir die Ihre noch einmal wiederholen würden ?«
»Es
schien so ein nettes Wochenende zu werden«, klagte sie. »Wir wollten alle zum
Hotel zurück, unser Gepäck holen, und ich sollte uns drei fahren. Aber dann
haben Sie beide unentwegt weitergetrunken .«
»Ein
Wochenende?« Meine Stimme klang etwas belegt, während mein Geist unverzüglich
die darin enthaltenen Möglichkeiten auslotete. »Lassen Sie uns doch gleich
aufbrechen. Sie sind noch nüchtern und können wunderbar Chauffeur spielen .«
»Damit
wir früh um vier Uhr ankommen ?« Sie schüttelte den
Kopf. »Außerdem bin ich mir im Hinblick auf Sie nicht mehr so sicher. Zuerst
hielt ich Sie für
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