Ein Hauch von Kirschblüten
aufs Sofa.
„Dann lass uns anstoßen. Auf dein
Examen, einen Neubeginn und auf die lustige Zeit, die wir haben werden.“ Sie
tranken die Gläser in einem Zug leer und gaben sich ein freundschaftliches
Küsschen.
„Weißt du eigentlich, dass wir
noch etwas zu feiern haben?“, fragte Katja lauernd.
„Was denn?“
Sie zog eine Schnute. „Männer! Da
ist es ganz egal, ob sie schwul oder hetero sind. Ihr seid alle gleich. Heute
kennen wir uns zwanzig Jahre.“
Jan stutzte eine Sekunde. Der
Satz schrie nach einer Revanche.
„Echt? So alt bist du schon?“
Zum Glück hatte er das Glas
bereits ausgetrunken. Als sie ihn gegen die Schulter boxte, rutschte es ihm aus
der Hand. Im letzten Moment konnte er es auffangen.
„Hey! Scherben bringen nicht
immer Glück.“
„Du bist gemein! Ich fühle mich
keinen Tag älter als zwanzig.“
Jan nahm sie grinsend in die
Arme. Sie stopfte ihm eine Praline in den Mund, als er etwas entgegnen wollte.
„Noch ein Wort und du kannst
unter der Brücke schlafen.“
„Das würdest du mir nie antun“,
brachte er kauend hervor.
„Nein, würde ich nicht. Ich
genieß es viel zu sehr, dich bei mir zu haben. Fast wie unsere ersten Jahre in
Hamburg.“
Sie hingen beide ihren Gedanken
nach, leerten den Champagner und die Pralinenschachtel.
Jan dachte an das kleine Mädchen,
das vor zwanzig Jahren ins Nachbarhaus eingezogen und zu seiner besten Freundin
geworden war. Er erinnerte sich genau an die blonden Zöpfe, an denen er so
gerne gezogen hatte, an ihr ausgelassenes Lachen und dass sie eher wie ein
Junge war. Keinen Tag hatte er ohne sie verbracht. Im Teenageralter wurden sie
ein Liebespaar, erlebten ihre ersten sexuellen Erfahrungen gemeinsam. Es hatte
so ausgesehen, als würden sie ihr ganzes Leben miteinander verbringen. Sie
zogen nach Hamburg, Katja machte ihre Ausbildung zur Heilpraktikerin und Jan
begann sein Studium. Alles schien perfekt – bis er Hendrik begegnete.
Jan verstärkte seine Umarmung,
als er daran dachte, wie sehr er Katja verletzt hatte. Dass sie ihre
Freundschaft hatten retten können, bedeutete ihm unendlich viel.
„Weißt du eigentlich, dass ich
dich liebe?“, flüsterte er in ihr Haar.
„Ja, das weiß ich. Leider reicht
es nicht für eine gemeinsame Zukunft.“
„Es tut mir so leid, Süße.“
Sie kuschelte sich an ihn und es
tat gut, ihre Wärme zu spüren.
„Dir muss nichts leidtun, Jan.
Ich erinnere mich genau daran, wie sehr du gelitten und dich dagegen gewehrt
hast. Es ist gut so, wie es ist.“
Sie saßen noch lange zusammen,
schwatzten über die alten Zeiten und schenkten sich unverbindliche
Streicheleinheiten. Eine solche Freundin zu haben, war mit Gold nicht
aufzuwiegen.
Der
Traum
Jan stand in einem japanischen
Garten; es war warm und die Sonne schien. Die herabfallenden Kirschblüten
wurden vom Wind wie Schneeflocken davongetragen, erschufen eine verzauberte
Welt, die von Fabelwesen, Feen und Drachen erzählte. Auf verschlungenen
Kieswegen gelangte man, zwischen den in Form geschnittenen Sträuchern und
Bäumen, zu einem Pavillon. Die Steinchen knirschten unter seinen Schritten. Ab
und zu zerriss ein leises, dumpfes Plopp die Stille. Ein Wasserspiel – typisch
für japanische Gärten.
Jan war völlig allein in dieser
mystischen, entrückten Welt, doch er wusste, dass es nicht lange so bleiben
würde. Sein Herz schlug bereits heftiger. Er verharrte vor dem Pavillon und sah
sich um. Nichts als Stille umgab ihn. Und doch wusste er, dass er da war. Schon
zu oft war er an diesem Ort gewesen.
Plötzlich spürte Jan die andere
Präsenz. Suchend drehte er sich um.
In einiger Entfernung sah er die
Silhouette eines Mannes. Sie war verschwommen, von Kirschblüten umhüllt, eine
Erscheinung, nicht real. Der Fremde war groß und schlank, stand aufrecht und
strahlte Kraft aus. Er trug einen schwarzen Anzug. Mehr konnte Jan nicht
erkennen.
Nie!
Er wusste, dieser Mann war ihm
noch nie begegnet, und doch war er ein Teil von ihm.
„Ich habe so lange auf dich
gewartet“, hörte er ein Flüstern in der Stille. Jedes Mal erfasste Jan ein
Schaudern, sobald er diese Worte vernahm. Sie klangen so weich, so voller
Zärtlichkeit. Ein Versprechen. In dieser Stimme schwang so viel Sehnsucht – die
des Mannes und seine eigene – dass es ihm unweigerlich Tränen in die Augen
trieb.
Diese kullerten über seine
Wangen, als er die Augen öffnete und an die Decke starrte.
Jan kannte diesen Traum, hatte
ihn in seinem Leben schon mehr als ein
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