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Ein Held unserer Zeit

Ein Held unserer Zeit

Titel: Ein Held unserer Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Lermontow
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war die Sieben!" rief er ihm zu, als er ihn endlich in den ersten Reihen der Plänkler entdeckte, welche gerade den Feind aus einem Walde zu vertreiben anfingen, und damit trat er heran, zog seine Börse, holte seine Brieftasche hervor und bezahlte den Gewinner, trotz der Vorstellungen, die ihm über das Unpassende der Zahlung gemacht wurden. Nachdem er diese unangenehme Schuld abgetragen, stürzte er sich auf den Feind, riß seine Soldaten mit sich fort und hörte nicht auf, ganz kaltblütig auf die Tschetschenzen zu schießen, bis das Gefecht zu Ende war.
     
    Als der Lieutenant Wulitsch an den Tisch trat, verstummten Alle in der Erwartung, irgend eine originelle Bemerkung von ihm zu hören.
     
    "Meine Herren," sagte er mit ruhiger, wenn auch tieferer Stimme als gewöhnlich, "meine Herren, wozu das leere Gerede? Sie wollen Beweise – ich schlage Ihnen vor, die Probe folgender Alternative zu machen: Kann der Mensch nach freiem Willen über sein Leben verfügen, oder ist Jedem von uns der verhängnißvolle Augenblick allein vom Schicksal vorher festgesetzt? ... Wer ist zu der Probe bereit?"
     
    "Ich nicht, ich nicht!" ertönte es von allen Seiten.
     
    "Wie kann man einen solch wunderlichen Einfall haben!"
     
    "Ich biete eine Wette," sagte ich scherzend.
     
    "Welche?"
     
    "Ich behaupte, daß es keine Vorherbestimmung gibt," sagte ich und warf zwanzig Dukaten auf den Tisch, – das war Alles, was ich in der Tasche hatte.
     
    "Ich halte die Wette," versetzte Wulitsch mit dumpfer Stimme. "Major, Sie sollen Richter sein. Da sind fünfzehn Dukaten; die übrigen fünf sind Sie mir noch schuldig, und Sie werden so gütig sein, dieselben hinzuzulegen."
     
    "Sehr schön," sagte der Major. "Aber ich begreife nicht recht, um was es sich handelt, und wie Sie die Frage entscheiden."
     
    Schweigend begab sich Wulitsch in das Schlafzimmer des Majors; wir folgten ihm. Er trat an die Wand, an welcher verschiedene Waffen hingen und wählte aufs Gerathewohl eine Pistole.
     
    Wir begriffen noch immer nicht, was das zu bedeuten hatte; aber als er die Pistole mit einem Zündhütchen versah, schrieen mehrere von uns unwillkürlich auf und hielten seinen Arm zurück.
     
    "Was hast du vor? Aber das ist ja Wahnsinn!" rief man ihm zu.
     
    "Meine Herren," sagte er langsam, indem er seinen Arm befreite, "wer von Ihnen ist bereit, die zwanzig Dukaten für mich zu bezahlen?"
     
    Alle verstummten und entfernten sich.
     
    Wulitsch trat in ein anderes Zimmer und setzte sich an einen Tisch; wir folgten ihm. Er gab uns ein Zeichen, uns um ihn zu setzen. Schweigend gehorchten wir; in diesem Augenblick übte er eine geheimnißvolle Macht über uns aus. Ich sah ihm unverwandt in die Augen; aber er betrachtete mich ruhigen, unbeweglichen Blickes, und ein schwaches Lächeln zuckte um seine blassen Lippen. Allein trotz seiner Kaltblütigkeit glaubte ich den Stempel des Todes auf seinem blassen Gesicht zu lesen. Ich habe die Beobachtung gemacht – und viele alte Militärs haben dieselbe bestätigt –, daß auf dem Gesichte des Menschen, der nach einigen Stunden zu sterben bestimmt ist, ein seltsamer Ausdruck liegt, der ein geübtes Auge nicht leicht täuscht.
     
    "Sie werden jetzt sterben," sagte ich zu ihm.
     
    Er wandte sich rasch zu mir um, antwortete jedoch langsam und ruhig:
     
    "Vielleicht ja, vielleicht auch nicht ..."
     
    Und sich dann an den Major wendend, fragte er:
     
    "Ist die Pistole geladen?"
     
    Der Major erinnerte sich in seiner Verwirrung nicht recht.
     
    "Aber nun laß es genug sein, Wulitsch!" sagte einer von uns; "sie ist ohne Zweifel geladen, danach zu urtheilen, wie sie an der Wand hing. Wozu dieser Scherz?"
     
    "Ein dummer Scherz!" fuhr ein Anderer fort.
     
    "Ich wette fünfzehn Rubel gegen fünf, daß die Pistole nicht geladen ist!" rief ein Dritter.
     
    Die Wette wurde angenommen.
     
    Diese umständlichen Ceremonieen langweilten mich.
     
    "Hören Sie," sagte ich, "entweder Sie schießen, oder Sie hängen die Pistole wieder an ihren Platz; und dann wollen wir zu Bett gehen."
     
    "Bravo, gehen wir zu Bett!" riefen mehrere.
     
    "Meine Herren, ich bitte Sie, rühren Sie sich nicht vom Platze!" sagte Wulitsch und hielt sich den Lauf der Pistole vor die Stirn.
     
    Wir waren Alle wie versteinert.
     
    "Herr Petschorin," fuhr er, zu mir gewendet, fort: – "nehmen Sie eine Karte und werfen Sie sie in die Höhe."
     
    Ich nahm, wie ich mich noch jetzt erinnere, Coeur-Aß vom Tische und warf es in die Höhe: Uns

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