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Ein Herz bricht selten allein

Ein Herz bricht selten allein

Titel: Ein Herz bricht selten allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gitta von Cetto
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Zehenspitzen, aber dennoch öffnete sich die Tür zum Schlafzimmer der Padrona einen Spalt.
    Bettina hatte den Plan gehegt, einfach früh am Morgen aus der Pension zu flüchten. Später würde sie dann das Geld bezahlen, das sie schuldete. Aber wie sollte sie hier jemals ungesehen mit ihrem Gepäck ‘rauskommen? Sie saß so richtig in der Patsche. Sollte sie Seggelin beim Gutenachtsagen umarmen und ihm dabei heimlich die Brieftasche mausen? Sie hatte keine Erfahrung in diesen Dingen, weder in leidenschaftlichen Überfällen noch im Erbeuten von Wertgegenständen.
    »Herr Seggelin, ich brauche etwas Geld«, stieß sie hervor und schloß dabei die Augen, als könne sie dadurch eine gewisse Anonymität wahren.
    »Geld?« Er stutzte.
    Bettina riskierte einen Blick in sein Gesicht. »Ich bin durch den Schwindel mit dem Film und natürlich erst recht durch das, was Sie mir von Jean erzählt haben, in einer abscheulichen Lage, wie Sie sich vielleicht denken können, Ich kann hier meine Rechnung nicht bezahlen und die Fahrt nach Elba auch nicht.«
    »Was wollen Sie denn auf Elba?«
    »Ich möchte zu meiner Mutter.«
    Dieses Zauberwort wirkte.
    »Wieviel brauchen Sie denn?« Er fummelte in seiner Brieftasche herum.
    »Mit dreißigtausend Lire würde ich alles schaffen.« Ihr fehlten genau die dreißigtausend Lire, die sie Jean gegeben hatte.
    Seggelin reichte ihr die Scheine.
    »Ich schicke Ihnen das Geld sofort. Sie können sich darauf verlassen. Übermorgen spätestens...«
    Aber Seggelin ließ sie nicht ausreden. »Mein liebes, gutes Kind, ich glaube schon lang nicht mehr an den Klapperstorch«, sagte er, ging und schloß die Tür hinter sich.
    Bettina starrte ihm nach. Tränen des Zorns in den Augen. Sie hätte am liebsten die Tür wieder aufgerissen und ihm seine Geldscheine nachgeschmissen, aber in ihrer Situation konnte sie sich diesen Stolz einfach nicht leisten.

    Bettina erfuhr nicht, was Herr Seggelin von ihr dachte, aber was die Padrona der Pension von ihr dachte, darüber wurde sie am nächsten Morgen genau unterrichtet. Die Signora erschien bei Bettina, als diese sich eben zu einem zweiten Morgenschlummer zurechtlegte. Sie redete mit großen Gesten und feurigen Augen, als halte sie eine zündende vaterländische Rede. Bettina verstand nur jedes zwanzigste Wort, aber sie begriff doch, daß die Signora sie hinausschmiß, weil sie mit ihrem liederlichen Treiben ihren Salon entweiht habe und dafür bezahlt wurde, jawohl bezahlt, an der Tür. Die Padrona hatte es ganz genau gesehen.
    Bettina antwortete mit ihrem Engelslächeln und sagte auf deutsch: »Scher dich ‘raus, dummes Luder«, was die Padrona wohl für eine Art Entschuldigung hielt, denn sie meinte einlenkend, sie sei nun eben mal allergisch in puncto Moral, aber es gäbe in Rom eine Menge anderer Pensionen, die es da nicht so genau nähmen. Dann präsentierte sie die Rechnung. Bettina verglich den Tagespreis mit dem, der an der Tür fliegenbeschmutzt mit rostigen Reißnägeln angeheftet war. Die Padrona hatte sich erlaubt, einen kleinen Aufschlag zu verlangen, womit die Ehre ihres Salons wiederhergestellt war.
    Bettina ärgerte sich, aber sie bezahlte. Dann kroch sie noch mal ins Bett. Sie räkelte sich. Jean Moulin, mein süßer, kleiner Jean, mein zärtlicher, scheuer Galan, ich habe einen Traum von der großen Liebe um dich gesponnen, und du wolltest mich an ein Freudenhaus verschachern. Jeder sein eigener Narr! Sie begann vor Zorn und Kummer zu heulen. Unten fuhren alte, scheppernde Lastwagen vorbei, die Männer von der Müllabfuhr sangen, und aus einem Dutzend geöffneter Fenster dröhnte Schlagermusik, zwei Frauen schrien sich über die Straße Familienklatsch zu. In den Käfigen vor den Fenstern begannen die Vögel zu piepen. Rom war wach und begann seinen Tag; aber natürlich begann er in einer Gasse von Trastevere geräuschvoller als in den parkumfriedeten Hotels der besseren Wohnviertel.

    Frank und Anna marschierten schwitzend auf ihrem Bauplatz herum. Er bahnte für sie beide den Weg, bog Büsche auseinander und fluchte.
    »Das war Oleaster, da mußt du vorsichtig sein«, sagte Anna. »Sticht fürchterlich.«
    »Danke, ich habe es bemerkt.« Er blieb stehen und leckte sich das Blut von den Händen. Dann befreite er seine Hosenbeine von den Brombeerstauden, die sie umklammert hielten. »Es gibt so schöne Plätze in der Schweiz. Im Tessin zum Beispiel«, sagte er. »In kultivierten Breitengraden.«
    »Ich gehöre nicht zur

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