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Ein Herz bricht selten allein

Ein Herz bricht selten allein

Titel: Ein Herz bricht selten allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gitta von Cetto
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wäre«
    »Keine Fangfragen, bitte.«
    Als sie die Augen wieder
öffnete, sah sie, daß er beunruhigt in die Richtung spähte, wo der kleine
magere Mann stand. Mein Schatten, dachte Bettina. Wenn ich nur das Geld hätte,
das dieser Bursche pro Tag bekommt, wäre mir wohler.
    »Du, ich bin restlos pleite«,
gestand sie. »Ich habe nicht einmal das Geld, um meine Mutter auf Elba
anzurufen. Es gibt bei der öffentlichen mit Herbeiholung kein R-Gespräch.«
    »Mach dir keine Sorgen, wir
finden schon einen Ausweg. Ich werde die Sache gleich heute angehen. Ich bin
mit einem einflußreichen Freund verabredet.«
    Die Glocken der vielen Kirchen
von Rom begannen zu läuten. Ein helles, dünnes Glöckchen fiel später ein, es
läutete ganz rasch und aufgeregt, als müsse es sich beeilen, den anderen noch
nachzukommen. Bettina versuchte, den Augenblick romantisch zu finden. Aber ihr
Magen knurrte, und Jean hatte nichts vom Abendessen angedeutet.
    »Wo triffst du deinen Freund?«
    Er nannte das Restaurant.
    »Ißt man da gut?«
    Jean wandte seine Augen
verzückt himmelwärts. »Dort wird das Essen nicht gekocht, sondern gedichtet.«
    Bettina war in ihrer Lage nicht
auf Gedichte aus, Prosa würde ihr genügt haben, ein hochgetürmter Teller
Spaghetti mit Tomatensoße.
    Sie ließ sich von Jean nicht
heimfahren. Sie schlenderte zu Fuß durch Rom, denn sie hatte Angst vor ihrem Zimmer
mit der zerschlissenen Tapete, dem Chlorgeruch, der aus dem Waschbecken kam,
und dem kränklichen Lichtschein, den die 25-Watt-Glühbirne, die in einer Art
weißgestrichener Mausefalle von der Decke baumelte, auf die verblichene
Bettdecke warf.
    Plötzlich fiel Bettina ihr
>Schatten< wieder ein. Sie sah sich nach ihm um, aber sie konnte ihn
nirgendwo entdecken. Vielleicht war das Ganze nur ein Jux gewesen oder eine
Wette oder sonst ein Blödsinn. Schweizer Humor, wer weiß. Sie blieb vor einem
Lebensmittelgeschäft stehen, das seine Auslagen bis weit hinaus auf die Straße
ausgedehnt hatte. Stapel von Birnen, daneben drängten sich in einem riesigen
Korb samtene Pfirsiche. Äpfel, gelbe mit winzigen, schwarzen Punkten,
rotwangige und lichtgrüne, Netzmelonen und tiefviolette Feigen lockten: Nimm
mich doch einfach, beiß hinein, laß dir den Saft über die Handgelenke laufen
und leck ihn ab. Bettinas Knie gerieten ins Wanken und mit ihnen ihre guten
Grundsätze.
    Sie war entsetzlich hungrig.
Ihre Hand streckte sich nach einem Pfirsich aus, dem schönsten und größten.
Dann zuckte sie zurück. Diebeshand, glaubte sie plötzlich zu hören. Es gab also
wirklich die innere Stimme, um die der Mensch immer so viel Gesums macht. Ihre
Fingerspitzen hatten die samtene Pfirsichhaut bereits gespürt. Sie machte eine
schroffe Wendung und lief die Straße hinunter, verfolgt von dem sanften Duft
des Obstes.
    War sie denn noch ganz richtig
da oben? Jetzt eben war sie gerade noch um Haaresbreite an einem plumpen
Diebstahl vorbeigekommen, aber wer konnte wissen, ob sie nicht wenige Tage
zuvor in einem ähnlichen Anfall Herrn Seggelin bestohlen hatte?
    Anna hatte die Art, wie sie mit
Bettina telefoniert hatte, hundertmal bereut. Sie sitzt in der Tinte, und ich
helfe ihr nicht ‘raus, bohrte es in ihr. Bettina hätte nicht die Schiffe hinter
sich verbrennen dürfen, sie hätte Bernhard eine Chance geben müssen. Und
außerdem: Wovon lebte das Kind denn nun in Rom, wenn diese Filmsache geplatzt
war? Lungerte sie auf der Spanischen Treppe herum und bot sich als Modell an?
Natürlich war sie längst Jeans Geliebte geworden. Anna dachte voll Zorn und
Mitleid an ihre Tochter.
    Sie saß mit Peppo Rocca beim
Notar in Portoferraio und unterschrieb den Kaufvertrag für das >terreno<.
Sie erfuhr, daß sie hier in Italien nicht mit Anna Gormann, sondern mit Anna
Fiocati, verwitwete Gormann, unterzeichnen müsse. Sie wurde rot vor
Verlegenheit und Freude, als sie ihren Namen unter das Dokument schrieb. Als
Anna Fiocati, vedova Gormann, begann sie ein neues Leben. Sie hatte ein Grundstück
gekauft, und sie würde darauf ein Haus bauen. Aber sie besaß weder das
moralische Recht noch genügend Geld, um Torheiten zu begehen. Was besaß sie
eigentlich? Ein durchschnittliches Maß Verstand im Kopf, einen von
irgendwelchen Ahnen ererbten Pioniergeist und drei Kinder, die Scherereien
machten.
    Der Notar stand unerwartet auf,
verbeugte sich und reichte Anna über den Schreibtisch hinweg die Hand. »Ich
gratuliere Ihnen und wünsche Ihnen viel Glück in unserem schönen Land«,

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