Ein Herz bricht selten allein
nicht kränken.
Anna winkte mit zwei
Taschentüchern, als die Aethalia in Sicht kam. Sie konnte Frank noch
nicht entdecken. »Mein guter alter Franzi«, sagte sie vor sich hin. Sie hatte
mit all ihren Schminkutensilien gearbeitet, hatte gefunden, daß sie wie ein
gealtertes Schneewittchen aus Gips aussah, und hatte bis auf den Lippenstift
alles wieder abgewaschen.
Frank hatte seine Familie
mitgebracht, seine Tochter Nancy und Susan, seine Frau. Anna kannte sie nicht.
»Ich habe die Tochter meines Kompagnons geheiratet, ein College-Girl«, hatte
Franzi Anna einst lakonisch mitgeteilt.
Das College-Girl hat in ihrer
Ehe mit Frank nicht Hunger gelitten, durchzuckte es Anna. Ob Susan die
Hundert-Kilo-Grenze schon überschritten hatte? Es war anzunehmen. Ihre Wangen,
sicher von Natur aus rosig wie die Haut eines gesunden Schweinchens, waren
durch eine noch rosigere Farbschicht überdeckt. Die Lippen, erdbeerfarben mit
einem Stich ins Blaue, hatte Susan großzügig zu einem Schmollmund korrigiert.
Die blauumränderten Augen — es waren gute, sehr klare Augen, wie Anna sich
eingestehen mußte — verschwanden beim Lachen nahezu in dem runden Gesicht.
Susan trug ein papageiengrünes Kostüm und auf ihrem blonden Haar —
Ursprungsfarbe unbekannt — ein weißes Kapitänsmützchen.
Anna ließ die Hände mit den
beiden Taschentüchern, die sie geschwenkt hatte, sinken. Franzi, der jetzige
Mr. Frank Kohlmannsperger, stand zwischen Frau und Tochter, stolz einen Arm um
jede von ihnen gelegt. Sehr gerade stand er da in seinem unauffälligen grauen
Seidensakko, ohne Bauch, die borstigen Haare zerzaust wie einst.
Anna starrte ihn an. Mein Gott,
er hat noch kein graues Haar! Sie hoffte, daß die Entfernung täuschte und daß
er bei näherer Betrachtung doch noch die grauen Schläfen des alternden Herrn
aufweisen würde.
Frank nahm die Arme von den
Schultern von Frau und Tochter und schwenkte sie. Und Anna begann, als hätte
sie sich eines Versäumnisses schuldig gemacht, erneut mit den beiden
Taschentüchern zu winken.
»Attenzione, Signora!« Das
schwere Schiffstau flog Anna an der Nase vorbei.
Der Hafenarbeiter neben ihr
wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn. Er roch nach
Knoblauch. Ich auch, fuhr es Anna durch den Sinn. Ich hätte meine Zucchini
heute ausnahmsweise ohne Knoblauch machen müssen.
Die Gangway wurde an die Aethalia herangeschoben. Zwei dunkelhaarige Kinder, gefolgt von ihren schnaufenden
Nonna, hopsten als erste die Stufen herab, und gleich hinter ihnen segelte
Susan mit ausgebreiteten Armen an Land.
»There we are,
Anna«, sagte sie.
Ja, hier waren sie! Anna war
der Mund wie mit Leukoplast zugeklebt. Susan knutschte sie mit ehrlicher Freude
ab. Anna fühlte sich von den warmen Fleischmassen überrumpelt und schämte sich
plötzlich ihres Fliegengewichtes, schämte sich auch, daß sie Susans
Begeisterung nicht teilte.
Schließlich ließ Susan von ihr
ab, und sie konnte Frank küssen. Sie reichte ihm die Wange und hielt dabei den
Atem an, um ihn nicht durch ihren Knoblauchgeruch zu schockieren. Wann verliert
eine Frau eigentlich ihre Eitelkeit? Wann gibt sie es auf, einem Mann, auch
wenn er unerreichbar und offenbar glücklich verheiratet ist, gefallen zu
wollen?
»Nancy, küß Anna. Sie wäre fast
deine Mutter geworden. Ich war einmal sehr verliebt in sie«, sagte Frank zu
seiner Tochter.
Sie war ein etwas eckiges Geschöpf
mit den leuchtenden, vergnügten Augen und auch den wie im Trotz aufgeworfenen
Lippen ihres Vaters.
Frank hakte sich bei Anna ein
und zog sie mit sich fort. »Ich bin so froh, daß ich meine Leute dazu bringen
konnte, hierherzukommen.«
»Du stehst doch nicht etwa
unterm Pantoffel, Franzl?«
»Selbstverständlich. Ich bin
Amerikaner, vergiß das nicht, ein Opfer meiner Familie«, sagte er frohgelaunt
und drückte ihren Arm. »Wo ist mein Wagen? Du hast mir doch einen gemietet?«
Anna faßte all ihren Mut
zusammen und wies in die Richtung, wo der kleine schäbige Fiat 600 stand. »Das
ist euer Wagen.«
Frank lachte laut auf. »Der
genügt gerade für Susans Lippenstifte.«
»Wir können auch einen etwas
größeren haben, aber bestimmt keinen Straßenkreuzer. Gleich hier am Hafen ist
das Büro, wo du Mietwagen bekommst.«
»Gut, ich mache das schon.«
Frank brachte sie in die Bar,
bestellte Drinks, bezahlte die Gepäckträger, ließ sich von Anna den Schlüssel
zu dem kleinen Fiat aushändigen und verschwand. Anna ertappte sich dabei, wie
sie ihm
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