1000 Kilometer auf dem 1000-jährigen Weg
Tag 1
Düsseldorf / Pamplona / Somport — Pass
„Willst du auch mit dem Bus nach Pamplona“?
Ich drehte mich zur Seite und antwortete etwas verzögert „Ja. Ich weiß nur noch nicht wie.“
So sah also ein Jakobsweg Pilger aus? Der große Rucksack mit der obligatorischen Isomatte. Lange Haare, eine Mütze aus einer Art Rattan-Look und Sandalen...? Nein — so hatte ich mir einen Pilger nicht vorgestellt. Aber er lächelte mich an und schien ganz freundlich zu sein. In diesem Moment rollte uns ein Bus vor die Füße.
„Den können wir nehmen. Der fährt uns in die Innenstadt.“
„Nun gut“ dachte ich bei mir. Ich hatte eh keine Ahnung, wie ich vom Flughafen Pamplona weiter kommen sollte. „Fahren wir Bus“.
Mein Begleiter, Jörg aus Berlin, kramte in seinem Rucksack und ich schaute, was er so alles eingepackt hatte. Zu meiner Beruhigung sah ich dann, dass er doch richtige Wanderschuhe dabei hatte. Sein Rucksack schien schwerer zu sein als meiner, und meiner war eigentlich schon zu schwer. Jörg war Beamter und hatte sich von seiner Behörde einen längeren Urlaub genehmigen lassen.
„Wo startest du deinen Jakobsweg?“ fragte ich ihn. Er kramte immer noch und war abgelenkt.
„Somport.“ war die kurze Antwort.
„Und was ist dein Ziel?“
„Finisterre“ sagte er und sah zu mir auf, „ich hab sechs Wochen Zeit. Und du ?“
Ich muss ihn etwas verdutzt angesehen haben.
„Ähhm. Ich starte auch in Somport, will nach Finisterre und hab sechs Wochen Zeit.“
Dazu muss ich erwähnen, dass dies nun nicht der übliche Jakobsweg ist. Die meist genutzte Route beginnt in
Frankreich, in einem Ort namens Saint-Jean-Pied-de-Port und geht rund siebenhundertvierzig Kilometer bis ans Pilgerziel, die Kathedrale von Santiago de Compostela. Meine, und so auch Jörgs Route, begann in eintausendsechshundertvierzig Metern Höhe auf dem Somport Pass an der französisch/spanischen Grenze bis nach Finisterre am Atlantik und war sechs Tagesetappen länger. Insgesamt hatte ich mir eintausend Kilometer vorgenommen.
Meine ganz spezielle Wegplanung war durch „Zufälle“ entstanden, die sich während meiner Vorbereitung auf meinen Jakobsweg ergeben hatten. Angefangen hatte alles am Ende des letzten Jahres. Seit zwölf Jahren verkaufe ich Immobilien. Das war eine schöne Tätigkeit; mit der ich meine Arbeitszeit und den Erfolg selbst bestimmen konnte. Zudem bestand mein Job darin, jungen Familien bei der Entscheidung für ihren Traum vom Eigenheim zu helfen. Ich hatte ein Leben, in dem ich nahezu alles tun konnte, was ich wollte.
Aber Ende des Jahres hatte ich eine Phase, in der ich immer unzufriedener wurde. Das kannte ich zwar schon von mir, aber dieses Mal dauerte es schon ziemlich lange. Und es wurde auch am Anfang des neuen Jahres nicht besser. Diesmal war es etwas anderes. Ich spürte, dass ich so nicht weitermachen wollte. Es machte einfach keinen Spaß mehr.
„Du musst mit dem Hammer gepudert sein.“ sagte ein guter Freund, als ich ihm meine Pläne mitteilte, und überlegen würde meinen Job zu schmeißen. Und er hatte Recht. Etwas Besseres konnte ich mir nur in meinen Träumen vorstellen.
Ich bat meinen Auftraggeber um eine Auszeit. Ich wollte mindestens sechs Monate aussteigen, so schnell wie möglich, obwohl ich wusste, dass dieser Wunsch mit ziemlicher Sicherheit meinen Rauswurf bedeuten würde. Ich tat, was mir mein inneres Gefühl sagte und — statt auf Verärgerung stieß ich auf Verständnis. Zehn Tage später war ich „frei“ — es war Zeit zum „träumen“.
Ein Traum allein war es für mich schon mein Handy auszuschalten und nicht mehr dauernd erreichbar sein zu müssen. Ich brauchte einige Tage, um aus meinem Trott heraus zu kommen. Da gab es einige fiese Angewohnheiten, die es abzulegen galt. Ostern stand kurz bevor und ich habe mich noch nie auf diese Feiertage so sehr gefreut. Seit über zehn Jahren war ich immer an solchen Feiertagen zur Arbeit gefahren. Musterhausdienst nannte sich das — eine dieser fiesen Angewohnheiten. Zu sehen, wie die Familien mit ihren Kindern die Osterverstecke suchten und das Frühstück vorbereiteten, während ich zur Arbeit fuhr, war für mich immer sehr schwer gewesen. Doch diesmal würde ich das Osterfest förmlich zelebrieren.
Ein ehemaliger Kollege hatte von meiner Auszeit gehört und rief mich an. Das hatten schon einige getan, da viele dachten, ich sei krank oder irgendetwas Schlimmes sei passiert. Als ich dann aber meine eigentliche
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