Ein Herz bricht selten allein
von demselben Frauentyp ausgestochen, sagte Bettina sich. Ich
bin nicht begabt, Männer zu angeln oder sie gar zu halten. Mein Aussehen
arbeitet gegen mich, man hält mich für eine skandalöse Frau. »Also, auf
Wiedersehen«, sagte sie. Etwas Besseres fiel ihr nicht ein.
»Aber, aber! Haben Sie
angerufen, um >guten Tag< und >auf Wiedersehen< zu sagen? Wenn
schon, dann möchte ich das Wiedersehen wörtlich haben, ich möchte Sie sehen.
Wann? Und wo?«
Jetzt sprach er mit gedämpfter
Stimme, damit die engelsgleiche Hélène nichts hörte. Bettina bekam Lust, Hélène
ein Schnippchen zu schlagen. Allen Hélènes und Konsorten. Überhaupt mußte
irgend etwas geschehen. Untätig dasitzen, Woche für Woche warten. Warten worauf?
Sie war am Verdorren. Bettina lechzte nach einem Erlebnis, das ihr bewies, daß
sie noch am Leben war.
Sie nannte ein Hotel, das
schickste, das teuerste. »Morgen um fünf? Zu einem kurzen Drink, ja?«
»Ja, fein, ich bin da.«
Die Kleiderfrage machte Kopfzerbrechen,
die Frisur, der Lippenstift, die Schuhe, die Tasche. Und das Gebaren natürlich,
die Art, ihm die Hand zu reichen. Huldvoll wie eine verwöhnte Frau? Oder ganz
aufgeräumt, kameradschaftlich?
»Türmen Sie mir das Haar nicht
zu hoch«, flehte Bettina die Friseuse an, noch bevor das Haar gewaschen war.
»Aber es würde Ihnen so gut
stehen, Madame.«
»Ja, ja, ich weiß, ich war
früher schon mal Griechin. Aber meine griechische Zeit ist vorbei. Ich möchte
heute als als...« Als was wollte sie eigentlich gehen? »Kurz und simpel. Aus
der Stirn und seitlich nur so ein bißchen ‘rein.« Sie zeigte, wie sie es sich
dachte.
»Da müssen wir dann aber viel
abschneiden.«
»Ja, schneiden Sie ab. Runter
damit!« Bettinas Haar hatte längst wieder seine Naturfarbe angenommen, kastanienbraun
mit einem rötlichen Schimmer.
»Ein wenig auffärben?«
»Nein, auf keinen Fall. Nur
einen Festiger mit einer Tönung.«
Mit dem sehr kurzen, einfachen
Haarschnitt war Bettina ein neuer Mensch. Alles andere ergab sich jetzt von
selbst: dezentes Make-up, Sportrock und Twinset, ein goldenes Armband. Was hieß
ein Armband? Sie besaß nur dieses eine. Die einzige Tasche, die zu ihrem
braunen Rock und der Lederjacke gepaßt hätte, wurde als zu schäbig befunden.
Bettina behauchte sie und bearbeitete sie mit einem Wolltuch, aber sie wurde
nicht modischer dadurch, und die Ecken blieben abgewetzt. Also wanderten
Lippenstift, Geldbörse und Puderdose ganz einfach in die Außentasche der
Lederjacke. Sie sang, während sie sich zurechtmachte. Sie freute sich auf Seggelin
wie ein Kind auf Weihnachten und schob den Gedanken, daß er ja inzwischen
Bindungen eingegangen war, von sich. Aber er drängte sich immer wieder in den
Vordergrund. Dann muß es eben mal ausgesprochen werden, daß sie auf dem Weg
war, einer anderen Frau eins auszuwischen. Nach links weitergreifen, nannte man
es in der Soldatensprache, wenn man sich seine gestohlenen Stiefel auf
ebendieselbe Weise beschafft, wie man sie eingebüßt hatte. Im Grunde ging Hélène
sie doch einen Dreck an. Und was tat sie schon Schlimmes? Sie traf sich
heimlich mit Seggelin. Hinter dem Rücken von Hélène. Der Teufel hole ihn, wenn
er nicht allein kam.
Er kam nicht allein. Aber nicht
Hélène ging an seiner Seite, sondern sein Hund. Ludwig Seggelin schüttelte
Bettina die Hand, ließ sie einen Augenblick in der seinen ruhen und schüttelte
sie wieder. Jetzt war er wieder der große Hüterbub, der Mann, der auf Berge
stieg und der die Hände von Menschen, über die er sich freute, schüttelte, als
wolle er ihnen den Arm aus dem Gelenk reißen. Der überlegene Gastgeber in der
eleganten Mailänder Wohnung, der Mann, der mit halber Stimme in den
Sternenhimmel hineingesprochen und sie geküßt hatte, war nicht derselbe wie
der, der hier in dem schwarzen Lodenjanker steckte.
»Das ist der Lackel«, stellte er
seinen Hund vor. »Ich glaube, Sie kennen ihn noch nicht.«
»Ich hatte nicht die Ehre.«
»Lackel, das ist die kuriose
Frau, von der ich dir schon soviel erzählt habe.«
Sie setzten sich, und Seggelin
hörte nicht auf, Bettina zu versichern, wie sehr er sich über dieses
Wiedersehen freue. »Sie haben sich sehr verändert, wissen Sie das? Sie sind —
wie soll ich sagen — Sie sind viel menschlicher geworden. Eine richtige Frau,
die man gern bei sich haben möchte. Jetzt darf ich es Ihnen ja sagen, wo Sie
wieder bei Ihrem Mann sind. In dem Dilemma in Mailand wäre es unfair gewesen.
Ich
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