Ein Herz voll Liebe
der Rancharbeiter gegenüber dem Haupthaus.
Mollie erntete normalerweise nur ein Nicken, wenn er ihr zufällig begegnete, und es war offensichtlich, dass er auch diese gelegentlichen Zusammentreffen am liebsten vermieden hätte.
Wann immer sie versuchte, mit ihm über Jolene zu reden, verließ er abrupt den Raum. Er wollte seine Tochter nicht sehen und noch weniger über sie reden.
Wie also kam es, dass sie sich trotzdem in diesen Mann verliebt hatte? Es gab einen Grund, und sie kannte ihn genau. Sie hatte gesehen und gefühlt, wie sehr er litt, mochte er auch noch so sehr versuchen, es nicht zu zeigen. Sie sah die Verzweiflung, die in ihm aufstieg, wenn er Jolene weinen oder quengeln hörte oder noch schlimmer, wenn sie fröhlich in ihrer Babysprache vor sich hin plapperte. Jolene führte ihm den Verlust, den er erlitten hatte, deutlich vor Augen, und er wurde damit nicht fertig. Nichts durfte ihn daran erinnern.
Durch Zufall fand er dann eine Frau, die aus Austin stammte und bereit war, nach Agua Verde zu ziehen. Sie hieß Mrs. Franzke und war ein angenehmer Mensch. Mollie zweifelte nicht daran, dass Jolene sich bald an sie gewöhnen würde, doch sie selbst brauchte die gesamten Sommerferien, um sich damit abzufinden, dass sie weder Deke noch Jolene täglich sehen konnte. Glücklicherweise hatte sie sich mit Danny ablenken können. Den Rest der Ferien verbrachte sie damit, Megan zu helfen und sich so zu beschäftigen.
Sie beneidete Megan, die einen Ehemann und einen Sohn besaß und dort lebte, wo sie, Mollie, gern gelebt hätte und tat, was sie selbst gerne getan hätte. Mollie wünschte, diese Chance auch zu erhalten. Doch zur Zeit ging es ausschließlich darum, noch intensiver zu lernen, um nicht vom College zu fliegen. Vielleicht konnte sie ja nach den Weihnachtsferien das Studienfach wechseln.
Statt ihre Hausaufgaben zu machen, rollte sie sich auf dem Bett zusammen und schlief ein.
Irgendwann wachte sie auf, weil jemand an die Tür klopfte.
„Mollie?” Es war Sharon, die am anderen Ende des Ganges wohnte. „Bist du da?”
Mollie setzte sich auf. „Komm rein, Sharon. Ich bin anscheinend eingeschlafen.”
Sharon spähte ins Zimmer und grinste. „Unten ist jemand, der dich sprechen möchte.”
Mollie war verwirrt über den anzüglichen Unterton in Sharons Stimme. „Wer denn?”
„Hab ihn nicht gefragt. Aber immerhin hat er es geschafft, dass jedes Mädchen hier im Haus unter einem Vorwand in der Empfangshalle auftaucht. Ein unglaublicher Typ.”
Mollie griff nach ihrer Haarbürste. „Ist eine Frau bei ihm? Vielleicht sind es Megan und Travis?”
„Nein. Er ist allein und sieht etwas entnervt aus, weil man ihm soviel Aufmerksamkeit schenkt. Seine Hutkrempe wird nie wieder sein, was sie mal war, so oft hat er seinen Stetson schon zwischen den Händen gerollt.”
Mollie starrte sie erschrocken an. „Deke? Kann er es sein?”
„Gib t nur einen Weg, es herauszufinden. Geh hinunter, und sieh nach.”
Es konnte nicht Deke sein. Warum sollte er sie aufsuchen? Seit sie Ende Juni seine Ranch verlassen hatte, hatte sie nichts mehr von ihm gehört. Aber wer sonst konnte es sein? Zur Zeit ging sie mit niemandem aus.
Als sie in die Empfangshalle kam, sah sie einen Mann am Fenster stehen und hinausblicken. Es gab keinen Zweifel. Diese breiten Schultern, der schlanke, muskulöse Rücken und die schmalen Hüften gehörten Deke. Mollies Herz klopfte wild, und ein leichtes Schwindelgefühl ergriff sie.
Mit weichen Knien trat sie auf ihn zu. „Deke?”
Er wandte sich beim Klang ihrer Stimme sofort um. Seine mit Schaffell gefütterte Jeansjacke hatte er anbehalten, doch sie war offen und gab den Blick auf ein kariertes Flannellhemd frei, das er darunter trug. In der einen Hand hielt er seinen Stetson, die andere war zur Faust geballt. Als er auf Mollie zuging, schob er die Faust in die Jackentasche.
„Können wir irgendwo unter vier Augen reden?” fragte er, ohne sie zu begrüßen. Ganz der alte Deke, dachte Mollie. Er sah sich in der Empfangshalle um, in der ein reges Kommen und Gehen herrschte. Auf seinem Gesicht malte sich Verzweiflung, was Mollie stark an sein Verhalten im vergangenen Sommer erinnerte, als er die wohlmeinenden Nachbarinnen aus dem Haus gejagt hatte. „Natürlich nur, wenn Sie Zeit haben”, fügte er hinzu, nachdem er sich offensichtlich über seine Unhöflichkeit klargeworden war.
Mollie unterdrückte ein Lächeln. „Ich habe Zeit”, antwortete sie und wunderte sich, wie
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