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Ein Herzschlag bis zur Ewigkeit

Ein Herzschlag bis zur Ewigkeit

Titel: Ein Herzschlag bis zur Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Trevanian
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auch keinen. Dann ging die Frotzelei von wegen Rotkopf, Rotkopf los. Und dann sagten kleine Jungen zu mir: Geh mal hinter die Büsche und zieh dir das Höschen runter und zeig uns mal dein rotes Haar. Ich verstand das gar nicht. Ich hatte da nämlich überhaupt keine Haare, schon gar keine roten.
    So ging das Leben weiter und weiter und weiter. Als ich dann zehn oder elf war, begann der Große Mythos. Eines Tages nach der Schule weinte ich vor Wut und Frustration, und plötzlich war ich von lauter Gören umringt, die sangen: ›Rotkopf sitzt am Topf … Rotkopf sitzt am Topf!‹ Und ich brüllte sie an, sie sollten aufhören damit, sonst …! Sonst was? fragte einer, logischerweise. Und ein anderer fragte mich, warum ich nicht nach Hause ginge und es meinem Vater sagte. Und alle lachten – seid gut zu den Kindern, Lieutenant, sie sind unsere ganze Hoffnung-, und auf einmal platzte ich raus, jawohl, ich würde es meinem Vater sagen, wenn sie mich nicht endlich in Ruhe ließen! Und sie sagten, du hast ja gar keinen Vater! Und ich sagte, ich habe doch einen Vater. Und mein Vater sei Sergeant LaPointe! Und der würde jeden Scheißer verhauen, der mir was tut.«
    Ein dumpfer Aufprall, ein Glas klirrt, Stille.
    »Upsala. Hab' im Eifer des Gefechts mein Glas umgestoßen, gerade wo ich mein Märchen noch ausschmücken wollte mit … was weiß ich. Wie ungraziös von mir.«
    LaPointe schaut unentwegt ins Feuer. Es wäre unfair, gerade in diesem Augenblick zu ihr hinzuschauen. Er hört sie über knirschende Scherben hinter die Bar gehen. Er hört das Quietschen des Korkens in der Armagnac-Flasche. Wie sie wieder anfängt zu sprechen, hat ihre Stimme einen komödiantisch rauhen Ton.
    »Das also war der Winter, wo ich einen Vater hatte … oder, um genau zu sein, einen daddy. Sie haben Yo-Yo in diesem Winter zweimal gebumst, Sir, und beide Male war ich noch auf, als Sie in die Wohnung kamen, und Sie haben Unsinn mit mir geredet, bevor sie mich zu Bett brachte. Ihre Uniform roch nach Wolle, was ja nicht verwunderlich war, da sie ja aus Wolle war. Aber für mich roch sie gut – wie meine Decke. Wie die Decke, die ich mir an die Nase drückte, wenn ich meinen Daumen lutschte. Ich hab' noch mit zehn am Daumen gelutscht. Statt dessen rauche ich heute Zigaretten. Vom Daumenlutschen kriegt man Lungenkrebs.
    Und jeden Tag hab' ich nach der Schule auf dem Nachhauseweg einen Riesenumweg gemacht und bin an Ihrer Wohnung vorbeigegangen – an der Esplanade. Und da stand ich, manchmal im Schnee – stellen Sie sich das mal vor: ein kleines Mädchen im Schnee! Ist das nicht zum Totlachen? Und ich sah hinauf zu den Fenstern Ihrer Wohnung im dritten Stock. Ihre Wohnung ist doch im dritten Stock, oder?«
    »Ja«, lügt er.
    »Ich wußte es. Untrüglicher Instinkt. Ich wußte, Sie wohnten im obersten Stock mit dem Blick auf die Welt. He, wäre das nicht komisch, wenn ich all die Nachmittage zur falschen Wohnung hinaufgeguckt hätte? Wäre das nicht ein Knüller von Ironie?«
    Er nickt.
    Nach einer Pause stößt sie einen Seufzer aus. »Gott sei Dank bin ich das jetzt los! Junge, Junge, Sie haben ja keine Ahnung, was das für 'n Otto für mich war, als Sie heute nachmittag hier hereinspaziert kamen! Wie ein Spuk! Ich hatte heute abend gar keine Verabredung. Ich ging die Main rauf – zum erstenmal seit Jahren. Ich schaute in ein, zwei Bars hinein und trank 'nen Armagnac, weil Sie auch so was trinken. Und ich ging durch die alten Straßen, an Ihrer Wohnung vorbei, und dachte darüber nach, ob ich den ganzen Scheiß auf Sie abladen sollte oder nicht. Schließlich beschloß ich, es nicht zu tun. Beschloß, es für mich zu behalten. Sic transit, mein Stolz, Herr über mein Schicksal zu sein.«
    LaPointe hat nichts dazu zu sagen.
    »Na ja.« Sie bringt ihm einen Armagnac, den er gar nicht haben möchte, und setzt sich neben ihn auf den Diwan. »Sie sind vermutlich nicht hier, um sich von mir die Seele rauskotzen zu lassen. Was kann ich für Sie tun, Lieutenant?«
    Der Übergang wird nicht leicht sein, und LaPointe nippt erst gemächlich an seinem Drink, ehe er beginnt: »Es sind drei Männer umgebracht worden … allem Anschein nach von ein und demselben Täter.«
    »Und da bietet sich als Verdächtige eine neurotische Männerhasserin an?«
    Er übergeht das. »Zwei Spuren führen zu Ihnen. Wann haben Sie Antonio Verdini das letzte Mal gesehen?«
    »Ich habe in meinem Tagebuch nachgesehen. Ich konnte mir denken, daß Sie das fragen würden.

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