Ein Herzschlag bis zur Ewigkeit
wenn Sie von der Verdini-Sache gewußt hätten.«
Sie hat ihr Glas ausgetrunken und langt nun automatisch nach seinem unberührten. Er runzelt die Stirn, besorgt, sie könnte zu betrunken sein, noch ehe das Verhör vorüber sein würde. »Ja, ich glaube, ich hätte es getan. Nicht wegen Bürgerpflicht und all dem Scheiß. Sondern weil ich Angst gehabt hätte, wie ich schon den ganzen Nachmittag Angst habe, seitdem Sie's mir gesagt haben.«
Sie grinst, ihr Alkoholspiegel steigt. »Sehen Sie? Das beweist, daß ich sie nicht getötet habe. Wäre ich der Täter, würde ich keine Angst haben.«
»Nein. Aber vielleicht sagen Sie es mir, daß Sie es waren.«
»Aha! Der fuchsschlaue Bulle! Mein Wort darauf, Lieutenant, ich laufe nicht rum und steche Männer ab. Ich bringe sie dazu, mich zu stechen.« Sie wackelt mit dem Kopf ein undeutliches Nicken. »Und hier, Sigmund, haben Sie eine blitzartige Enthüllung.«
LaPointe hat sein Notizbuch aufgeschlagen. »Sie sagen, Sie wissen nichts über den dritten Mann? Den Amerikaner namens Mac-Henry?«
Sie schüttelt entschieden den Kopf. »Nein! Sie sehen, es gibt in Montreal einige wenige Männer, die ich noch nicht gebumst habe. Aber die kriege ich auch noch. Keine Bange!«
»Ich möchte nicht, daß Sie noch mehr trinken.«
Sie schaut ihn ungläubig an. »Was … sagen … Sie … da?«
»Ich möchte, daß Sie zu trinken aufhören, bis die Vernehmung vorbei ist.«
»Sie möchten … Waas? Fuck you, Lieutenant!« Sie funkelt ihn an, dann geht ihre Haltung in einem Sturm von Wut und Trunkenheit aus den Fugen. »Fuck you … oder besser noch: Ficken Sie mich, Lieutenant! Warum bumsen Sie mich nicht, LaPointe? Ich möcht' zur Abwechslung mal gebumst werden!«
»Kommen Sie! Lassen Sie das!«
»Nein, wirklich! Es mit Ihnen zu treiben, das wär's vielleicht, was ich brauche. Eine psychische Wasserscheide. Der endgültige Daddy!« Sie rutscht rüber zu ihm und schaut ihm prüfend in die Augen. In ihrem Ausdruck ist ein wissendes Lächeln, eigentümlich vermischt mit einem kindlichen Flehen. Ihre Hand schließt sich über seinem Bein und seinem Penis. Er schiebt sie am Handgelenk weg und steht auf.
»Sie sind betrunken, Mlle. Montjean.«
»Und Sie sind ein Feigling, Lieutenant … wie Sie auch heißen! Ich gebe gern zu, daß ich betrunken bin, wenn Sie zugeben, daß Sie ein Feigling sind. Abgemacht?«
LaPointe langt in die Innentasche seines Jacketts und holt ein Foto heraus, das er am Nachmittag bei Dr. Bouvier mitgenommen hat. Er hält es ihr hin. »Dieser Mann.«
Sie wischt es mit einer weiten, unscharfen Geste weg. Sie ist verletzt, bestürzt, betrunken.
»Ist vielleicht kein sehr gutes Bild. Ein Schnappschuß nach Eintritt des Todes. Vielleicht hilft es Ihnen, wenn ich Ihnen sage, daß der Mann vor etwa zweieinhalb Jahren getötet worden ist?«
Wie ein bockiges Kind, das man zu einer Hausaufgabe zwingt, schnappt sie sich das Foto und schaut es an.
Der Schock erschüttert sie nicht – er blutet sie aus. All ihre Lebensgeister verlassen sie. Sie möchte das Foto fallen lassen, aber sie kriegt es nicht fertig. LaPointe muß danach greifen und es ihr aus der Hand nehmen.
Als sie sich wieder in den Griff bekommt, sägt sie die Oberlippe leicht zwischen den Zähnen. Durch die gespitzten Lippen entleert sich langsam ein tiefer Atemzug.
»Er hieß aber nicht MacHenry. Er hieß Davidson. Cliff Davidson.«
»Vielleicht hat er sich Ihnen gegenüber so genannt?«
»Sie meinen, er hat mir noch nicht mal gesagt, wie er wirklich heißt?«
»Offenbar nicht.«
»Dieser Scheißkerl.« Darin liegt eher sanfte Verwunderung als Wut.
»Wieso Scheißkerl?«
Sie schließt die Augen und schüttelt heftig den Kopf. Sie ist müde, ausgepumpt, hat es satt bis obenhin.
»Wieso Scheißkerl?« wiederholt er.
Sie steht langsam auf und geht zur Bar – sie braucht Distanz, keinen Drink. Sie stützt die Ellenbogen auf das polierte Walnußholz und starrt auf die Flaschenbatterie hinter der Bar, die im vielfarbigen Licht der Glaskugel erglänzt. Sie hat ihm den Rücken zugewandt und spricht mit Grabesstimme: »Clifford Davidson war die große, hinreißende Liebe meines Lebens, Officer. Wir waren verlobt. Er war nach Kanada gekommen, um in Quebec City so was wie eine Herstellungsfirma zu eröffnen, und wollte hier Joual lernen. Er sprach bereits ganz gut Französisch, aber er war ein ganz Gewiefter. Er wußte, daß es für ihn, den Amerikaner, ein irres Faß wäre, wenn er Joual
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