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Ein Herzschlag bis zur Ewigkeit

Ein Herzschlag bis zur Ewigkeit

Titel: Ein Herzschlag bis zur Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Trevanian
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Sprachlernsystem auch seine Tücken hat. Wir hatten hier einen Araber als Schüler – Neffe eines dieser Ölpiraten –, der wurde darauf getrimmt, die Welt zu erobern, oder zu lernen, wie man in sechs Sprachen vor ihr kapituliert, oder was für'n Scheiß die so machen. Dumm wie Bohnenstroh! Die haben ihm auf McGill Spezialkurse gegeben noch und noch – ich glaube, sein Onkel hat die ungeheuer geschmiert, mit 'nem Atomlaboratorium oder halb Südamerika oder so was in der Art … Ich meine, der war wirklich saudumm. Der war so dumm, der hätte nicht mal das Technikum in England geschafft oder seinen Doktor der Zeitungswissenschaften in den Staaten … So was hätte in jedem akademischen Zirkel Lachkrämpfe ausgelöst.«
    »Wirklich?«
    »Sie sind kein gutes Publikum, LaPointe. Und jetzt habe ich auch ganz vergessen, warum ich die Geschichte überhaupt erzählt habe.«
    »Warum? Vielleicht, weil Sie Zeit gewinnen wollen.«
    »Ja, vielleicht. Wie wär's mit noch einem?«
    »Ich hab' noch den.«
    »Ich glaube, ich trink' noch einen.« Sie nimmt ihr Glas und setzt sich neben ihn. »Ich hatte gerade ein ganz irres Erlebnis. Ich ging durch den Park, und da stand jemand, im Schatten.«
    »Jemand, den Sie kennen?«
    »Das ist es ja. Ich hatte das Gefühl, ich kenne ihn, doch … ich kann das nicht erklären. Ich hab' ihn gar nicht richtig gesehen. Ein Schatten. Aber ich hatte das unheimliche Gefühl, als wollte er mit mir sprechen.«
    »Und hat er?«
    »Nein.«
    »Wovor haben Sie sich dann erschreckt?«
    Sie lacht. »Vor nichts. Ich hatte Angst. Ich hab' Ihnen ja gesagt, das war ein ganz irres Erlebnis. Schwafele ich hier, oder ist es meine Phantasie?«
    »Es ist nicht Ihre Phantasie. Heute nachmittag haben Sie gesagt, Sie kennen mich. Erzählen Sie.«
    Während sie spricht, spricht sie mit ihrem Glas, nicht mit ihm.
    »Oh, ich war ja nur ein Kind. Sie haben mich eigentlich nie bemerkt. Aber lange Jahre haben Sie … eine wichtige Rolle in meinem Leben gespielt.« Sie stößt einen kleinen selbstironischen Lacher aus. »Das ist ein Ding, was? Ich meine, Sie waren nicht in dem Sinne wichtig für mich, daß ich oft an Sie denke, denn das tu' ich nicht. Aber ich denke an Sie … in entscheidenden Augenblicken. Es muß sehr peinlich für Sie sein, wenn eine Fremde Ihnen sagt, sie habe eine ziemlich außergewöhnliche Vorstellung von Ihnen. Stimmt's?«
    Er hebt sein Glas und neigt den Kopf, »ja.«
    »Sie glauben, ich bin betrunken?«
    Er drückt den Daumen gegen den kleinen Finger. »Ein bißchen.«
    »Betrunken und unordentlich«, sagt sie wie abwesend. »Junge Frau, ich muß Sie anzeigen wegen Trunkenheit und unordentlichen Lebenswandels – wegen unordentlichen Denkens.«
    »Das bezweifle ich. Ich glaube, Sie denken ganz ordentlich. Und sehr clever obendrein.«
    »Clever? Ja. Hübsch arrangiert? Ja. Und trotzdem unordentlich. In den Vorderstübchen meines Oberstübchens steht alles fein säuberlich und wirkungsvoll arrangiert nebeneinander. In den Hinterstübchen aber herrscht ein Wust von Unordnung, Chaos – und wissen Sie, was noch?«
    »Nein. Was?«
    »Ein ganz kleiner Krümel Selbstmitleid.«
    Beide lachen.
    »Na, wie wär's jetzt mit noch einem?« Sie geht um die Bar herum, um ihr Glas erneut zu füllen.
    »Nein, danke … also gut: ja. Sagen Sie – mit dem Selbstmitleid, von dem Sie sprechen, ist da Haß mit dabei?«
    »Tonnenweise, Lieutenant. Doch …« Sie zeigt ruckartig auf ihn, so, als hätte sie ihn erwischt, wie er eine Karte aus dem Ärmel holt. »Doch nicht genug, um zu töten.« Sie lacht trocken. »Wissen Sie was, Sir? Ich hab' so das Gefühl, wir reden noch die halbe Nacht von zwei verschiedenen Dingen.«
    »Aber nicht die ganze.«
    »Eine Drohung?«
    Er zuckt die Achseln. »Also, tonnenweise Haß. Hassen Sie mich, weil ich mich nicht an Sie erinnere?«
    »N-n-nein. Nein. Ich geb' Ihnen keine Schuld, und ich hasse Sie nicht. Sie waren eine zentrale Figur, ein Star auf der Main. Ich saß dabei ganz hinten im Parkett. Ich habe die ganze Zeit nur den einen Schauspieler angestarrt, und darum erinnere ich mich eben an ihn. Sie haben in uns – wenn Sie sich überhaupt die Mühe machten, ins Publikum zu schauen – niemals den einzelnen gesehen. Nein, nicht Haß. Man nehme zwei Teile Enttäuschung, vermische sie mit einem Teil Groll, einem Teil verletzter Eitelkeit, löse das Ganze in Jahren voller Gleichgültigkeit auf – dann haben Sie, was ich empfinde. Nicht Haß.«
    »Sie sagten, Ihre

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