Ein Herzschlag danach
manchmal, dass schon die halbe Welt darüber Bescheid wusste. Und Jack und ich hatten nie etwas bemerkt oder geahnt. Hatte mein Vater es gewusst?
»Jetzt weißt du also, dass deine Mutter eine von uns war. Glaubst du immer noch all den Unsinn, den man dir über uns erzählt hat – dass wir Ungeheuer sind?« Er verdrehte die Augen. »Das kannst du doch nicht im Ernst glauben.«
Mir fiel ein, dass Alex auch nicht mehr alles geglaubt hatte. Und dass ich der Grund dafür war. Plötzlich überwältigte mich die Sehnsucht nach ihm. Ich brauchte ihn, nur er konnte mir helfen, in diesem Chaos durchzublicken.
Ich schaute Demos an, rang um eine Antwort. »Ich …«
»Ich habe euch beiden was zu essen mitgebracht.« Suki erschien plötzlich am Picknicktisch und winkte uns zu sich. Sie hielt eine braune Papiertüte in der Hand.
Ich war verärgert. Dieses Gespräch musste noch zu Ende geführt werden, vorzugsweise ohne weitere Personen in der Nähe.
»Komm, setz dich zu uns. Iss zuerst mal etwas.« Demos legte mir die Hand auf die Schulter.
Ich schlug sie weg. »Ich will nichts essen! Ich will, dass Sie mir endlich erklären, was mit meiner Mutter geschehen ist!«
»Das werde ich auch. Aber setzen wir uns doch erst.«
Schließlich ließ ich zu, dass er mich zum Tisch zurückschob. Suki setzte sich mir gegenüber. Ich schickte ihr einen meiner finstersten Blicke zur Warnung. Dass jemand in meinen Gedanken herumschnüffelte, war so ziemlich das Letzte, was ich gerade brauchte. Wie hielten das die anderen nur aus?
Sie reichte mir schweigend ein Sandwich. Aus ihrem Gesicht war das übliche Grinsen verschwunden. Weil ich das Sandwich ignorierte, legte sie es vor mir auf den Tisch.
»Deine Mutter war eine bemerkenswerte Frau.« Demos sah mich liebevoll an und ich hatte nicht den geringsten Zweifel daran, dass er in diesem Augenblick nicht mich, sondern meine Mutter vor sich sah. Ich hob eine Augenbraue und verschränkte die Arme vor der Brust.
»Tut mir leid – das weißt du ja längst und brauchst mich nicht dazu, dir das zu erklären. Es ist nur so … eigenartig, dich hier vor mir zu sehen.« Er schüttelte den Kopf. »Plötzlich stürmen alle möglichen Erinnerungen auf mich ein. Als wäre es erst gestern geschehen.« Er atmete tief ein. »Als ich sie kennenlernte, war sie nicht viel älter, als du jetzt bist. Wir hatten beide in Stanford mit dem Studium angefangen und begegneten uns gleich in der ersten Woche. Für mich war es Liebe auf den ersten Blick. Sie war wunderschön.«
Ich schaute zu den Bäumen hinüber. Das wollte ich mir nicht anhören.
Er bemerkte meine Reaktion, redete aber trotzdem weiter. »Sie war wirklich etwas ganz Besonderes – und natürlich durchschaute sie mich auf der Stelle.« Bei der Erinnerung lachte er leise, während ich mich innerlich krümmte.
»Ein Talent wie das deiner Mutter ist nicht leicht zu ertragen«, sagte er, wobei er Suki einen Seitenblick zuwarf. Sie lächelte flüchtig zurück. »Ich habe erlebt, dass es Leute in den Wahnsinn treibt. Normalerweise reicht es, immer die eigenen Gedanken hören zu müssen – manche springen schon allein deshalb von der Brücke. Aber stell dir vor, wie es ist, wenn du ständig die Gedanken sämtlicher Menschen um dich herum hörst!«
Ich betrachtete Suki. Gut möglich, dass auch sie kurz vor dem Durchdrehen war. Würde jedenfalls eine Menge erklären.
»Aber deine Mutter war wirklich eine ganz besondere Person, sie sah ihre Begabung im wörtlichen Sinn als eine Gabe, eine gute Sache. Die sie auch so einsetzen wollte. Um anderen zu helfen.«
»Aber …«
Er unterbrach mich mit einer Handbewegung. »Lass mich erst mal ausreden, Lila. Deine Mutter war jedoch auch eine Idealistin. Sie glaubte allen Ernstes, dass sie die Welt verändern könne. Sie wollte in die Politik gehen, um etwas Gutes zu bewirken. Wahrscheinlich wollen das die meisten Politiker am Anfang. Nur hatte sie eben einen Vorteil gegenüber den anderen. Sie glaubte, wenn sie die Gedanken der anderen hören konnte, könnte sie die Leute positiv beeinflussen. Ich habe beobachtet, wie deine Mutter ihre Kraft einsetzte; es war sehr eindrucksvoll. Sie hätte Rechtsanwältin werden sollen. Damit hätte sie Millionen verdienen können. Sie hätte den Richter und sämtliche Geschworenen innerhalb von Sekunden auf ihre Seite ziehen können.«
»Na gut, okay. Aber warum hat sie Ihnen den Laufpass gegeben?«, fragte ich hart.
Er zuckte sichtlich zusammen, als hätte ich ihn
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