Ein Highlander zu Weihnachten
Prolog
Dezember 1745 Schottland
»Bitte, Cameron. Bitte, ich flehe dich an. Bitte geh nicht.« Mhairie Stewart klammerte sich an den Wolfspelz, den ihr Ziehsohn sich um die kräftigen Schultern geschlungen hatte. »Ich habe gesehen, was da kommen wird, Junge. All diese Schlachten werden vergeblich sein, und du weißt, dass ich mich selten irre.«
Eigentlich hatte sie überhaupt nie unrecht, tat jedoch manchmal so, als ob, damit die Angehörigen ihres Clans nicht glaubten, sie verfüge wahrhaftig über Hexenkräfte. Es war schon übel genug, dass die meisten ihre Tränke selbst dann noch misstrauisch beäugten, wenn sie sie dringend nötig hatten.
Ihr Sohn legte seinen Wetzstein aus der Hand und stand auf. Er überragte sie bei Weitem. Sanft umfasste er ihre knorrigen Finger mit seinen breiten, schwieligen Händen. »Minnie, Traumgesicht oder nicht, ich muss gehen. Ich kann Prinz Charles kein bisschen mehr leiden als du – verdammt, der Mann spricht kaum Schottisch, von Gälisch ganz zu schweigen. Aber Vater hat gesagt, dass wir MacLeods gehen, also gehe auch ich.«
Er neigte sich vor, um eine Träne von ihrer windgeröteten Wange zu wischen. Seine üppigen rabenschwarzen Locken lösten sich und umrahmten sein hübsches Gesicht. Ihr Herz zog sich zusammen. »Aber …«
»Minnie, weshalb grämst du dich? Du weißt, dass ich zu den Stärksten unseres Clans gehöre, und sogar noch weit darüber hinaus.«
Er hatte ja recht, aber das Traumbild war so deutlich gewesen …
»Ich verspreche dir, dass ich zurückkehren werde.«
Ach, genau das war es doch. Es würde keine Wiederkehr geben. Tausende würden auf dem Schlachtfeld zurückbleiben, in einer Schlucht voller Blut unweit Inverness!
Die Göttin und die Schutzheiligen ihres Sohnes mochten ihr beistehen, aber sie hatte doch nicht stundenlang darum gerungen, ihn aus dem Leib ihrer armen Schwester hervorzuholen, hatte nicht Jahrzehnte damit zugebracht, sich wegen jedem seiner Fehltritte und jeder seiner Schrammen zu sorgen, damit er jetzt einen so schmachvollen Tod erleiden sollte!
Sie holte zitternd Luft und betete, dass das Gefühl von Schuld ihn umstimmen möge, wenn schiere Vernunft es schon nicht vermochte.
»Sohn, sieh mich an. Mir bleiben nicht mehr viele Monde zu leben. Willst du, dass ich sie in Kummer und Sorge zubringen soll?«
Er schüttelte den Kopf und schnalzte mit der Zunge. Dann legte er seine kräftigen Arme um sie und zog sie zu sich heran. Nun spürte sie erst recht, wie zerbrechlich ihre einst starken Knochen geworden waren, wie nahe sie ihrem Ende gekommen war.
Er wisperte in ihr Haar: »Minnie, ich liebe dich von ganzem Herzen und würde hierbleiben, wenn ich eine Wahl hätte.« Er rückte von ihr ab und hob ihr Kinn mit einem Finger an. Als er ihr lächelnd in die Augen sah, zeigten sich Grübchen neben seinem schön geschnittenen Mund. »Ich verspreche, dass ich vorsichtig sein werde. Ich werde keine unnötige Gefahr auf mich nehmen.«
Oh, er wusste nicht, was er da sagte – was hieß denn vorsichtig! Sie hatte die Geschichten gehört, obwohl er versucht hatte, sie von ihr fernzuhalten; sie kannte die vielen Gefahren, die er im Lauf der Jahre bei hitzigen Gefechten ausgestanden hatte. Und hatte sie deswegen geklagt? Nein.
Vom ersten Augenblick an, da sie ihn im Arm hielt, hatte sie geahnt, dass ihm einst Ruhm bestimmt sein würde. In einer blitzartigen Eingebung hatte sie sein gereiftes Antlitz erblickt, so wie es sich ihr jetzt darbot, seine aufsehenerregenden blauen Augen, sein breites Lächeln und eingekerbtes Kinn, hatte Hunderte von Menschen seinen Namen rufen gehört und ihm zuwinken gesehen. Und sie begriff sehr wohl, dass ein solcher Weg oft Wagemut erforderte. Aber für diesen … diesen Betrüger sterben?
Niemals!
Er ließ ihr keine Wahl. Sie würde jetzt das tun müssen, was sie niemals bei irgendeinem Menschen für möglich gehalten hätte – und schon gar nicht bei ihrem Sohn, aber Cameron würde sein Schicksal erfüllen. Zweifelsohne würde sie dadurch seine Liebe verlieren, aber ihn in Sicherheit zu wissen wäre den Verlust und die Schmerzen wert. So würde er vielleicht Lehnsherr, möglicherweise sogar König werden, er würde wieder heiraten und zwar hoffentlich ein kräftigeres Mädchen, das ihm Kinder gebären konnte.
Mit diesem Entschluss stieß Mhairie einen Seufzer aus, von dem sie hoffte, er möge schicksalsergeben klingen. »Ich sehe, dass ich dich nicht davon abbringen kann. So sei es denn. Aber erweise
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