Ein Highlander zu Weihnachten
nachlässig um seinen rechten Unterarm gelegten Verband entdeckte, schüttelte sie den Kopf. »Warum bist du damit nicht zu mir gekommen, wenn du es alleine nicht richtig machen konntest?«
»Das wisst Ihr doch, Herrin. Die …«, er zeigte mit geneigtem Kopf in Richtung des Dorfes und der Burg hoch über ihnen, »haben Angst vor mir.«
Er hatte recht. Vor fünfzehn Jahren war Thomas halb verhungert und verzweifelt auf dem Land der MacLeods aufgetaucht, entstellt von einer Krankheit, die sein Fleisch unaufhörlich in dicken Lappen nachwachsen ließ. Ihr Lehnsherr hatte nicht das Herz gehabt, ihn fortzujagen, sondern hatte ihm die abgelegene und feuchte Kate zugewiesen, in der sonst niemand hausen mochte.
Da er bei Holzarbeiten einiges Geschick bewies, hatte Thomas versucht, sein Auskommen als Tischler zu finden, aber niemand außer Mhairie mochte mit ihm Handel treiben. Alle anderen hatten zu viel Angst, sich bei ihm anzustecken – was immer seine Krankheit sein mochte. Deshalb verdiente er seinen Unterhalt nun, indem er die Feuer auf der Spitze der Landzunge in Gang hielt, sobald die Männer draußen auf See waren. Angesichts seines Siechtums und der großen Entfernungen, die er beim Holzsammeln zurücklegen musste, war das keine geringe Aufgabe. Vor allem hatte er niemanden, der ihm zur Hand ging. Sein einziger Bruder war in die Neue Welt gefahren – in ein Land namens Virginia.
Nachdem sie die Wunde versorgt hatte, die trotz allem gut verheilte, murmelte er: »Herrin, wie soll ich Euch Eure Güte je vergelten?«
Sie lächelte erleichtert. »Ganz einfach. Ich benötige heute Abend dein Haus und auch die Truhe, die du vor so langer Zeit für mich angefertigt hast.«
»Wann?«
»Kurz bevor der Mond seinen höchsten Stand erreicht hat.«
Er nickte. »Gut. Ich mag nicht im Stockdunkeln draußen umherstreifen.« Er ließ seinen Blick auf die lange, mit kunstvollen Schnitzereien verzierte Truhe aus Eichenholz fallen, die an der Rückwand der Kate lehnte. »Es wird mir fehlen, wenn ich sie nicht mehr anschauen kann.«
Mhairie erhob sich und betastete die fein ausgearbeiteten Spiralen, Halbmonde und Dreiecke, die in den Deckel der Kiste geschnitten waren – alte Zeichen, die für sie die Welt bedeuteten. Es war ein herrlicher Anblick. Sie wünschte, sie könnte sie in ihren Besitz nehmen, aber sie kannte auch die damit verbundenen Gefahren. Leise sagte sie: »Sie wird in deiner Obhut bleiben, Thomas. Ich muss nur in aller Ruhe etwas von großem Wert hineintun.« Sie ließ sich wieder auf dem Schemel nieder und tätschelte sein verkrüppeltes Bein. »Großes Leid wird über uns kommen, Thomas. Es ist von allergrößter Wichtigkeit, dass die Kiste niemals von irgendjemandem außer mir geöffnet wird. Was ich hineintue, muss wohlverwahrt bleiben.« Niemand käme je auf die Idee, hier nach Cameron zu suchen, aber vorsichtshalber fügte sie noch hinzu: »Und wenn nötig, musst du es mit deinem Leben verteidigen.«
Er legte den Kopf schief und starrte sie eine Weile lang an. Dann streckte er ihr seine Hand entgegen. »Ja, Herrin, mit meinem Leben.«
1
Boston
2. Dezember 2007
Claire MacGregor hätte heulen können. Das wichtigste Einkaufswochenende des Jahres war vorbei, und sie hatte lediglich sechsunddreißig Dollar und ein paar Zerquetschte Umsatz gemacht. Fröhliche Weihnachten, ho, ho … haha.
Aber seit dem Tod ihrer Mutter vor acht Jahren war Weihnachten sowieso nicht mehr das, was es früher einmal gewesen war. Sie hätte sich nicht einmal die Mühe gemacht, den Laden zu schmücken, wenn sie nicht darauf gehofft hätte, kauflustige Kundschaft in den Velvet Pumpkin zu locken.
Die Messingglocke über der Tür ihres Antiquitätengeschäfts läutete, und Claire blickte mit einem Lächeln für den ersten Kunden des Nachmittags von ihrem Computerbildschirm auf. Als sie Tracy Simpson durch die Tür kommen sah, löste sich jegliche Hoffnung auf den ersten Verkauf des Tages in Luft auf. »Hallo Tracy. Wie war dein Vorstellungsgespräch?«
Tracy grinste, während sie ihre Handschuhe auszog. »Bin nicht hingegangen. War stattdessen auf einer Fleischbeschau.«
»Auf einer Fleischbeschau.« Claire sah flüchtig auf die antike französische Uhr, die sie in Kommission genommen hatte, dann schweifte ihr Blick durch die breiten Bogenfenster der Ladenfront nach draußen. Halb fünf, und es schneite. Jetzt konnte Tracy auf gar keinen Fall mehr durch die halbe Stadt rasen. »Ich glaub’s ja nicht.«
Tracy warf ihren
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