Ein himmlischer Gärtner in Hamburg 2.Michael
unterdrückten Gefühlen ganz heiser ist.
„Therapie, pfft“, knurrt Micha und tickt sich an die Stirn, „Ich gehe jede Woche zu meinem Therapeuten, doch die Phobie bleibt.“
„Dann wird das für immer so bleiben?“ Meine Stimme klingt mutlos.
„Wahrscheinlich ja.“ Er schaut zu mir. „Ich würde trotzdem gern mit dir zusammen sein. Würdest du das aushalten?“
„Ohne dass ich dich anfassen darf? Ich weiß nicht – nein, ich glaube, das schaffe ich nicht“, gebe ich unumwunden zu.
Auch jetzt ist der Drang, ihn zu umarmen, übermächtig.
„Können wir es nicht wenigstens probieren? Bitte, Joschi, ich brauch dich doch so sehr“, flüstert Micha so eindringlich, dass ich einfach nicht ‚Nein‘ sagen kann.
„Wie willst du das probieren? Ich will mich keinesfalls auf diese lieblose Art weiter von dir ficken lassen, da nehme ich lieber meinen Latexfreund und… Ups.“ Erschrocken halte ich inne, doch nun ist es raus.
Michael glotzt mich an, wandert mit dem Blick runter zu meinem Schoss, wieder hoch und bricht dann in lautes Gelächter aus.
„Waaah! Und ich – dachte – du hättest – einen anderen Mann“, grölt er lachend, dabei hält er sich die Seiten.
Ich gucke beleidigt, bin aber heilfroh, dass die dunkle Stimmung vertrieben ist. Da ist es doch egal, dass es auf meine Kosten geschieht. Während sich Micha langsam wieder beruhigt, laufe ich in die Küche und hole eine Flasche Wasser nebst zwei Gläsern. Zurück im Wohnzimmer schaut er ernst zu mir hoch.
„Bitte, lass es uns probieren. Vielleicht funktioniert ein langsames Herantasten. Erst mal händchenhalten und küssen, dann jeden Tag mehr. Bitte.“
Micha beherrscht den Welpenblick perfekt. Ich stimme zu, obgleich ich kein gutes Gefühl dabei habe. Wie lange wird es dauern, bis er in meinen Armen liegt? Heute greift er sich meine Hand und hält sie eine Weile. Zum Abschied bekomme ich sogar einen Kuss. Okay, das stimmt mich leicht euphorisch.
Micha ist jeden Tag bei mir. Wir reden, kochen und haben Spaß miteinander. Über das Händchenhalten und keusche Küsse sind wir allerdings selbst nach einer Woche nicht hinausgekommen. Er blockt ab, sobald ich versuche, ihn zu umarmen.
„Vielleicht wird es besser, wenn ich hier übernachte“, schlägt Michael vor.
Ich weiß nicht, was das ändern soll, trotzdem räume ich für ihn eine Hälfte des Kleiderschranks. Michael schleppt seine Klamotten und ein paar andere Sachen an, bis die Wohnung aussieht, als gehöre sie ihm. Heimlich muss er jeden Tag schon etwas mitgebracht haben. Was für ein Schelm. Mir gefällt es, denn vorher war es so leer, da ich keinen Sinn für Nippes und Co. habe.
Nachdem Micha fertig ausgepackt hat, schlingt er einen Arm um meine Taille und lehnt sich leicht an mich. Ich bekomme eine Gänsehaut und die Sehnsucht schwenkt eine weiße Fahne, will endlich erhört werden. Der Moment geht jedoch vorüber und mit vorgeschobener Unterlippe trottet die Fahnenschwenkerin davon.
Jede Nacht schläft Michael nun auf dem Sofa. Ich würde ihn ins Bett lassen, aber nur, wenn er mich im Arm hält. Klar, dass er die Couch vorzieht. Nach drei Wochen ist er endlich bereit, sich gelegentlich umarmen zu lassen und unsere Küsse werden länger. Vielleicht schaffen wir es, kurz vor unserem Tod in einer heißen, verschwitzten Umarmung im Bett zu liegen und Liebe zu machen. Was für eine Aussicht!
Obwohl ich es liebe, Micha um mich zu haben, beginne ich zu zweifeln. Ich mag ja dumm sein, doch eines weiß ich sicher: An dieser Situation werde ich irgendwann zerbrechen. Der Zweifel wächst mit jedem Tag, trotz Michaels Zärtlichkeiten, die mich stets auf einem gleichbleibenden Level der Erregung halten. Er würde mir auch einen blasen, das hat er mir mehrfach angeboten, doch das will ich nicht. Ist mir zu einseitig. Ich bin gierig geworden und will das ganze Paket oder – gar keines.
Wahrscheinlich bin ich deshalb am Ende der vierten Woche etwas mürrisch, als ich aufstehe und feststelle, dass er wieder mal geduscht hat, bevor ich wach geworden bin. Das macht er, damit er vor mir sicher ist, das weiß ich genau. Wortlos trinke ich heute meinen Kaffee und antworte auf dem Weg zur Arbeit nur einsilbig.
Den Nachhauseweg bestreite ich stets allein. Meist habe ich früher Feierabend als Micha und außerdem tut es gut, für eine Weile allein mit meinen Gedanken zu sein. Die fremden Menschen in Bus und Bahn stören mich nicht, die beachte ich nicht. Heute denke ich darüber
Weitere Kostenlose Bücher