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Ein Jahr in Lissabon

Ein Jahr in Lissabon

Titel: Ein Jahr in Lissabon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sylvia Roth
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nicht nur im literarischen, sondern auch im realen Sinne um den Markt der Diebin: Viele der Batterien und Headsets, viele der Parfums und Cremes, die zum Verkauf bereitliegen, sind noch fabrikneu verschweißt – also vermutlich gestohlen. Über den Feira da Ladra zu schlendern heißt deshalb, sowohl alles finden und entdecken zu können als auch sorgsam die Handtasche festzuhalten, um nicht gleichzeitig alles zu verlieren. Deshalb kursieren in Lissabon viele Geschichten darüber, wie jemandemetwas gestohlen wurde und er es auf dem Feira da Ladra ein zweites Mal kaufen konnte … „Als mir mein Laptop geklaut wurde, haben mir viele Freunde gesagt: ‚Geh morgens um fünf Uhr auf den Feira da Ladra – da findest du ihn bestimmt wieder‘“, lacht Inês. Und die Polizei? Die duldet es schweigsam, zumal die wirklich „heiße Ware“ unsichtbar hinter dem Ladentisch vertickt wird, und kauft selbst gerne in diesem unerschöpflichen Freiluftgeschäft ein. Auf dem Feira da Ladra sind die Gesetze eben in jeder Hinsicht außer Kraft gesetzt.
    „Então, vamos dar uma olhada“, schauen wir mal, was es so gibt. Inês sucht Schuhe, und ich blättere die gesamten Ausgaben Jahrgang 1960 der „Benfica illustrado“ durch, der Vereinszeitschrift eines der beiden Fußballclubs Lissabons. Die alten Ansichtskarten gefallen mir ebenfalls gut, aber schließlich kaufe ich mir ein Buch auf Portugiesisch, um, wie es so schön heißt, meine Sprachkenntnisse zu verbessern. Es ist ein Buch für Kinder ab acht Jahren, und der Wortschatz scheint mir meinem derzeitigen Niveau angemessen. Außerdem bleibe ich bei einem Fön hängen, der schlappe zwei Euro kosten soll. „Funciona?“, frage ich den Verkäufer, denn selbstverständlich ist keine Steckdose in der Nähe, um den Lebenswert des guten Stücks zu testen. „Sim, sim, trabalha“, versichert mir der ältere Herr so grantig, als habe ich mit dieser Frage an seiner Verkäuferehre gekratzt. Está bem, ich nehme ihn, für zwei Euro lässt sich schließlich nicht viel falsch machen.
    Ich verstaue den frisch erworbenen Fön in meinem Rucksack, Inês hat die Suche nach den Schuhen für heute aufgegeben und sich stattdessen eine Bluse gekauft. Nun setzen wir uns in eines der Lokale auf dem Feira da Ladra und bestellen einen Kaffee. Das heißt: Wir bestellen natürlich nicht einfach einen Kaffee. Denn die Kaffee-Kultur inLissabon ist so vielfältig, dass sie bisweilen an die österreichische erinnert, nur, dass die Portugiesen nicht so viel Aufhebens darum machen. Wachen Ohres durch die Straßen gehend, kann man das Geräusch der surrenden Kaffeemaschinen überall hören, es gehört untrennbar zum Alltag der Stadt. Wer in Lissabon einen „Café“ (sprich: kaffä) bestellt, bekommt eine homöopathische, kräftige Dosis schwarzer Flüssigkeit serviert, die so unmittelbar wie eine Injektion wirkt. Eine Art Espresso, die aber anders schmeckt, herber und milder zugleich, eigen eben. „Bica“ nennt man das in Lissabon und ausschließlich in Lissabon. Wer diesen schwarzen kleinen Kaffee noch schwärzer und homöopathischer haben will – so, wie Inês beispielsweise –, der sollte nach einem „Curto“ fragen, wer ihn lieber mit ein bisschen Wasser streckt, bestellt einfach einen „Cheio“, einen Vollen. Wer einen kleinen Spritzer Milch benötigt, ist mit dem „Garoto“, dem Straßenjungen, bestens versorgt, und Freunde des Milchkaffees können entweder eine „Meia da leite“ oder natürlich, ganz ultimativ, einen „Galão“ trinken.
    Obwohl ich erst seit wenigen Wochen in Lissabon bin, liebe ich den portugiesischen Kaffee bereits heiß und innig. Ich habe am eigenen Leib erfahren, dass er glücklich macht, und bin deshalb dazu übergangen, ihn genauso zärtlich wie die Portugiesen „Cafézinho – Kaffeechen“ zu nennen. Und während Inês und ich vor unserem köstlichen, glücklich machenden portugiesischen Kaffee sitzen, drängt sich uns das Gespräch zweier deutscher Touristen auf, die sich, beide mit einer verhärmten Tasse Tee vor sich, von Tisch zu Tisch austauschen. „Nee, normalerweise steh ich nich so auf Tee, ist nur ne Notlösung. Der Kaffee hier is ja nich schlecht, aber is halt nich Italien hier.“ – „Ja, geht mir genauso, ich versteh aber auch nicht, dass die so was wie Lattemacchiato hier nicht kennen, das ist einfach noch nicht angekommen. Hab gestern versucht, einen zu bestellen, ham se einfach nicht verstanden, nur als ich Caffè Latte gesagt hab, fiel dann

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