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Ein Jahr ohne Juli (German Edition)

Ein Jahr ohne Juli (German Edition)

Titel: Ein Jahr ohne Juli (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liz Kessler
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und ewig«, sagt Juli.
    »Auf jeden Fall. Nichts kann uns jemals entzweien«, ergänze ich, und meine das mehr, als sie jemals verstehen wird. »Nichts.«
    Juli lässt sich ins Sofa zurücksinken. »Und, auf was hast du heute Lust?«, fragt sie beiläufig.
    Einen Augenblick zögere ich. Wann hat Juli mich das letzte Mal gefragt, was wir machen sollen? Ich glaube nicht, dass ich mich daran erinnern kann. Und ich lächle, weil ich merke, wie sehr sich die Dinge verändert haben.
    Ich stehe auf. »Komm mit«, sage ich.
    Juli springt auf und stellt sich hinter mich. »Ha, immer dem Anführer hinterher. Super!« Ich gehe durchs Zimmer, und Juli kommt hinter mir her, mit lustigen kleinen Hopsern, dass sogar Mikey lachen muss, als er uns zusieht.
    Ich führe Juli aus dem Zimmer, aus der Wohnung und hinaus in den herrlichen Tag. Von gegenüber kommt Mr Barraclough auf das Gebäude mit der Empfangshalle zu. Er winkt uns kurz zu und geht hinein.
    Da fällt mir ein, dass ich noch etwas zu erledigen habe. »Ich muss mal eben da rein«, sage ich, als wir an dem Gebäude vorbeigehen. »Bin gleich wieder zurück.«
    Ich muss es versuchen. Das schulde ich ihr und mir selbst.

    Er ist noch direkt hinter der Tür.
    »Mr Barraclough!«
    Er dreht sich um und lächelt. »Jenny, hallo. Wie geht’s Mikey?«
    »Gut«, sage ich.
    »Nur noch der Verband um den Kopf, was?«, meint Mr Barraclough. »Hätte schlimmer ausgehen können.«
    »Ja, genau«, stimme ich ihm zu. »Viel schlimmer.« Ich krame in meiner Tasche. »Ich habe etwas für Sie.«
    »Für mich?« Mr Barraclough sieht mir zu, als ich etwas herausziehe.
    »Einen Brief«, sage ich. »Aber Sie müssen genau machen, was ich Ihnen sage.«
    Er unterdrückt ein Lachen. »Machen, was du mir sagst?«
    »Bitte«, beharre ich. »Es ist wichtig.« Ich reiche ihm den Brief. »Lesen Sie ihn jetzt«, sage ich. »Allein. Und dann müssen Sie in den ersten Stock in das Apartment 110 gehen und den Brief mitnehmen.«
    Mr Barraclough starrt die zusammengefalteten Seiten an. »Von wem ist er?«, fragt er, und er sieht plötzlich ernst aus. »Wo hast du den her?«
    »Das erklärt sich alles, wenn Sie machen, was ich sage. Apartment 110, ja?«
    »In Ordnung, in Ordnung«, sagt er und wendet sich ab. Immer noch starrt er auf den Brief.
    »Mr Barraclough!«, rufe ich ihm nach.
    Er bleibt stehen und dreht sich um.
    »Das Wichtigste habe ich noch nicht gesagt.«
    »Und das wäre?«
    »Nehmen Sie den Fahrstuhl«, sage ich betont.
    »Ja, gut, wenn du drauf bestehst.« Er wendet sich wieder ab.
    »Hören Sie!«, rufe ich erneut hinter ihm her. Wieder bleibt er stehen. »Den alten Fahrstuhl«, sage ich. »Der, der nicht mehr funktioniert. Nehmen Sie den.«
    Er starrt mich fragend an, als ob er eine tiefere Bedeutung in meinen Worten sucht. »Von mir aus«, sagt er schließlich. »Mache ich.«

    Seit einer Stunde sitzen wir am Wehr und reden und schauen zu, wie das Wasser über die Staumauer braust. Juli hat nicht angeregt, hinüberzulaufen. Selbst sie macht das nicht, wenn das Wasser so hoch steht. Sie hat auch nicht vorgeschlagen, auf Bäume zu klettern oder über Zäune zu springen. Aber selbst wenn, es würde mir nichts ausmachen. In den letzten paar Tagen habe ich erkannt, dass ich viel mehr kann, als ich dachte.
    Plötzlich springt Juli auf. »Komm, lass uns gehen.«
    Zwei Gestalten kommen uns entgegen, als wir den Weg entlangschlendern. Als sie näher kommen, erkenne ich Christine und Sally. »Hi, Juli!« Sie lächeln Juli an und übersehen mich wie üblich.
    »Komm mit, Juli«, sage ich und strebe an den beiden vorbei.
    »Huuu, dann ignoriert uns eben!«, schnaubt Christine beleidigt.
    »Was sollte das denn?«, fragt Juli.
    Ich schüttle den Kopf. »Ich weiß nicht. Tut mir leid. Ich halte einfach nicht viel von den beiden.«
    »Sie waren ja gerade auch ein bisschen hochnäsig«, sagt Juli und sieht den beiden nach, wie sie kichernd davongehen.
    »Tja, so sind eben die, die keine echten Freunde sind.«
    Wir kommen am Eingang zum alten Trakt vorbei, als von drinnen ein Scheppern herausdringt. Durch die Glastür sehen wir, wie die Tür des alten Fahrstuhls aufgeht.
    »Ich dachte, der tut es gar nicht mehr«, sagt Juli.
    »Hat ihn wohl jemand repariert«, antworte ich betont gleichgültig. Zwei Personen kommen zum Vorschein. Mr Barraclough und – Mrs Smith! Sie lächeln sich zu, als ob sie in eine eigene Welt entschwunden sind.
    Mr Barraclough hält ihr die Tür auf, und sie treten heraus.

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