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Ein kalter Strom

Ein kalter Strom

Titel: Ein kalter Strom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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Hohe Decken mit Trägern und Lampen aus Stahl, Tische und Stühle, die Designermodelle darstellten. Alles war elegant und laut, die Art von Lokal, wo jeder automatisch die anderen Gäste beäugte, um sich zu vergewissern, dass die Schickeria nicht woandershin abgewandert ist, seitdem man das letzte Mal hier war.
    Er saß schon an einem Tisch mitten im Saal, als sie kam, rauchte eine kleine Zigarre und betrachtete die Speisekarte. Carol bemerkte, dass sie einige neugierige Blicke auf sich zog, als der Kellner sie an seinen Tisch führte. Damit würde sie sich befassen müssen, je eher, desto besser.
    Als sie an den Tisch kam, stand Tadeusz auf und machte eine höfliche kleine Verbeugung. »Danke, dass Sie gekommen sind«, sagte er.
    »Danke für die Einladung.« Der Kellner hielt ihren Stuhl bereit, und Carol nahm Platz. »Sagen Sie, sind Sie eine Art Berühmtheit in Berlin?«
    Er runzelte die Stirn. »Was meinen Sie damit?«
    »Ich habe es gestern Abend bemerkt und jetzt wieder. Die Leute starren uns an. Und da niemand in Berlin eine Ahnung hat, wer ich bin, müssen Sie es sein.«
    Er wurde rot und schaute auf den Tisch hinunter. Dann spielte er mit seiner Gabel, sah zu ihr hinüber und presste den Mund zu einer dünnen Linie zusammen. Sie sah, dass er sich bemühte, keine Emotion zu zeigen. »Ich bin keine Berühmtheit, obwohl manche Leute wissen, wer ich bin. Aber deshalb starren sie nicht.«
    »Nein?«
    »Es ist Ihretwegen.«
    Carol lachte kurz und spöttisch auf. »Ich bin enttäuscht. Ich dachte, Ihre Schmeicheleien würden raffinierter sein.«
    Tadeusz holte tief Luft. »Nein, das war keine Schmeichelei. Was nicht heißen soll, dass Sie nicht so schön sind, dass man sich nach Ihnen umdreht.« Er stieß einen Seufzer aus. »Das wird sich verrückt anhören.«
    »Ja?« Carol schätzte, dass Caroline Jackson inzwischen misstrauisch wäre, und versuchte sich mit ihrem Gesichtsausdruck danach zu richten.
    Tadeusz betrachtete angestrengt seine Zigarre. Dann drückte er sie ungeduldig im Aschenbecher aus. »Sie haben eine bemerkenswerte Ähnlichkeit mit jemandem.«
    »Was? Ich habe ein Double, das in Deutschland berühmt ist?«
    Er schüttelte den Kopf. »Nein, das nicht.« Er rutschte verlegen auf seinem Stuhl hin und her. »Sie sind einer Frau wie aus dem Gesicht geschnitten, die Katerina Basler heißt. Sie war meine Geliebte. Deshalb starren die Leute Sie an.«
    Carol hob die Augenbrauen. »Man glaubt, dass Sie Katerina durch eine Doppelgängerin ersetzt haben?«
    Er zuckte mit den Schultern. »Ich nehme an.«
    »Wie lange ist es her, seit Sie sich getrennt haben?«
    Er räusperte sich. Sie sah den Schmerz in seinem Gesicht, konnte es sich aber nicht leisten, ihn merken zu lassen, dass sie wusste, warum er Mitgefühl verdiente. Also wartete sie. »Wir haben uns nicht getrennt«, sagte er schließlich, nahm sein Weinglas und leerte es mit einem langen Schluck. »Sie ist umgekommen, Caroline.«
    Carol hatte gewusst, dass dieser Moment kommen würde, und hatte sich lange und gründlich überlegt, wie sie reagieren sollte. Schockiert, natürlich. Und sie würde erstaunt tun müssen, sogar entsetzt. Und auch beleidigt, das müsste in die Gleichung auch irgendwie mit hinein. Sie sah ihn fassungslos und mit vor Erstaunen offenem Mund an.
    Diesen Moment hatte der Kellner gewählt, um zu erscheinen und zu fragen, was sie trinken wollten. Zerstreut breitete Tadeusz mit einer verwirrten Geste die Hände aus.
    »Scotch«, sagte Carol entschlossen. »Groß, mit Eis.«
    »Cognac«, sagte Tadeusz und winkte dem Kellner zu gehen.
    Carol konzentrierte sich darauf, das Aussehen mitfühlenden Entsetzens beizubehalten. »Sie ist umgekommen?«
    Er nickte und schlug wieder die Augen nieder. »Vor zwei Monaten. Bei einem Unfall. Ein dummer, blöder Unfall.«
    »Oh Gott, das tut mir Leid«, sagte sie. Und das war jetzt nicht gespielt. Sie hätte ein härteres Herz haben müssen, um von seinem offensichtlichen Kummer nicht gerührt zu sein.
    Er schüttelte den Kopf. »Ich sollte mich entschuldigen. Ich wollte Ihnen das nicht zumuten.«
    Spontan streckte sie die Hand aus und legte sie auf seine. »Es ist keine Zumutung. Ich bin froh, dass Sie es mir gesagt haben. Ich fing schon an, mich ganz merkwürdig zu fühlen. Aber, Tadzio, das ist ja schrecklich für Sie. Ich kann mir nicht vorstellen, wie ich mich fühlen würde, wenn jemandem, den ich liebe, das passieren würde.«
    »Man kann es sich nicht vorstellen.« Er sah sie schmerzlich

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