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Ein kalter Strom

Ein kalter Strom

Titel: Ein kalter Strom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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ansehen musste. Er wollte nach Bremen fahren, zum Teil um seinen Frieden mit Margarethe zu machen, hauptsächlich aber, um das Haus zu sehen, wo sie gestorben war, um herauszufinden, ob der Tatort ihm etwas über seine Beute sagen konnte. Außerdem brauchte er bessere Tatortfotos. Aber er konnte jetzt schon einmal anfangen.
    Er öffnete sein Textverarbeitungsprogramm und rief seine persönliche Vorlage für Profile auf. Sie begann mit der üblichen Absicherungsklausel. Diese Sache war zwar informell, nur eine inoffizielle Ermittlung, aber es gab keinen Grund, die Dinge nicht korrekt zu handhaben.
    Das folgende Täterprofil ist nur zur Orientierung gedacht und sollte nicht als ein identisches Porträt betrachtet werden. Es ist unwahrscheinlich, dass der Täter in allen Einzelheiten dem Profil entspricht, obwohl ich eine hohe Übereinstimmung zwischen den unten aufgeführten Charakteristika und der Realität erwarte. Alle Aussagen dieser Profilanalyse sind Wahrscheinlichkeiten und Möglichkeiten, nicht erhärtete Tatsachen.
    Ein Serienmörder hinterlässt beim Begehen seiner Verbrechen Signale und Indizien. Alles, was er tut, bewegt sich bewusst oder unbewusst innerhalb eines Musters. Eine Analyse des zugrunde liegenden Musters lässt die Logik des Mörders erkennen. Uns mag das Muster nicht logisch erscheinen, aber für ihn ist es zwingend. Mit einfachen Fallen ist er nicht zu fangen, weil seine Logik so eigenwillig ist. Und da er so einzigartig ist, müssen die Mittel, ihn zu fassen, zu verhören und seine Taten nachzuvollziehen, genauso außergewöhnlich sein.
    Dann stellte Tony eine kurze Übersicht über die drei Fälle zusammen, mit besonderem Nachdruck auf dem jeweiligen Forschungsgebiet der Ermordeten. Davon ausgehend fuhr er auf der Basis seiner neuen Informationen wie folgt fort:
    Alle theoretischen Psychologen, die experimentell arbeiten, können durch diesen Mörder in Gefahr sein. Angesichts der Tatsache, dass Margarethe Schilling ihrem Partner sagte, sie habe einen Termin und treffe den Journalisten einer neuen elektronischen Zeitschrift, scheint es ratsam, Psychologiedozenten zu bitten, bei entsprechenden Anfragen mit den Fahndern Kontakt aufzunehmen. Dabei ist klar, dass dies eventuell gewisse Probleme mit sich bringen kann. Wenn der Mörder Verbindung zu wissenschaftlichen Kreisen hat, wird er solche Warnungen mitbekommen und seine Strategie entsprechend ändern. Zudem kann eine solche Warnung unter denen, die gefährdet sind, eine Panik auslösen. Darüber hinaus gibt es die Schwierigkeit, in welchem Rahmen die Ermittlung laufen soll. Der Mörder ist, soweit wir wissen, schon in zwei EU -Ländern aufgetreten, Deutschland und Holland, und es gibt keinen Grund anzunehmen, dass er seinen Wirkungsbereich darauf beschränken wird.
    Was wissen wir bis jetzt aufgrund seiner Taten über den Mörder?
    1. Obwohl bei der Durchführung dieser Verbrechen fast mit Sicherheit ein Element sexueller Stimulierung mitspielt, ist die Motivation nicht ausgesprochen sexuell. Die Opfer sind keiner bestimmten körperlichen Kategorie zuzuordnen und schließen beide Geschlechter ein. Es ist also unmöglich, aufgrund einer oberflächlichen Beschreibung der äußeren Erscheinungsmerkmale vorherzusagen, wo er nächstes Mal zuschlagen wird. Daraus und aus der Skalpierung der Schamhaargegend (mit der er seine Opfer in eine Art präpubertären Zustand versetzt) würde ich schließen, dass die Sexualität des Täters relativ wenig entwickelt ist. Ich meine damit, dass er nie eine erfolgreiche sexuelle Beziehung mit einer erwachsenen Partnerin hatte. Er mag relativ jung sexuelle Demütigungen erfahren haben und wollte sich dem danach nicht mehr aussetzen. Auf irgendeine Weise gibt er der Gruppe seiner Opfer die Schuld an seiner Unfähigkeit, normale sexuelle Kontakte zu knüpfen. Ich halte es für sehr unwahrscheinlich, dass er verheiratet ist oder in einer lang dauernden Beziehung lebt. Wahrscheinlich ist er allein und hat keine emotionalen Beziehungen zu Personen des anderen oder des eigenen Geschlechts.
    So viele Gründe für die Verfälschung des Sexualtriebs, dachte Tony traurig. Seine eigene Erfahrung mit Impotenz und seine Entdeckungsreisen durch die Gefilde der Seele, die daraus entstanden waren, hatten ihm ein seltenes Einfühlungsvermögen für Menschen gegeben, deren natürliche Sehnsüchte sich so deformiert hatten, dass sie der Welt als Perversion erschienen. Es gab eine Erklärung, eine Sequenz so einzigartig wie die DNA

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