Ein kalter Tag im Paradies – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Alex-McKnight-Serie (German Edition)
jetzt?«
»Vielleicht ist er in diesem Moment auf dem Weg nach Hause«, sagte ich. »Ich schau noch in ein paar Kneipen vorbei, nur um sicherzugehen.«
»Ich habe ein ungutes Gefühl, Alex«, meinte sie. »Das habe ich Ihnen doch schon gesagt, oder? Es wäre mir sehr lieb, wenn Sie ihn möglichst bald fänden.«
»Es gibt keinen Grund zur Sorge, Mrs. Fulton«, beruhigte ich sie. »Können Sie mir bitte Mr. Uttley geben?«
»Warum wollen Sie ihn sprechen?« fragte sie. »Gibt es da etwas, was Sie mir verschweigen?«
»Nein, Mrs. Fulton.«
»Es ist etwas passiert, nicht wahr?« Allmählich verlor sie doch die Kontrolle über ihre Stimme.
»Nein, Mrs. Fulton. Ich schwöre Ihnen, alles ist in Ordnung. Ich möchte nur einen Moment mit Lane sprechen.«
»Alex, ich bin es.« Das war Uttleys Stimme. »Um was geht es?«
»Lane«, sagte ich und wartete einen Moment, um mich selbst zu beruhigen, »können Sie bitte dafür sorgen, daß Sie das nächste Mal am Apparat sind?«
»Selbstverständlich, Alex. Es tut mir leid, aber sie war schneller.«
»Sie haben doch meine Handynummer? Rufen Sie mich an, wenn er nach Hause kommt. Ich seh noch in ein paar Kneipen nach.«
Ich verspürte zwar keine große Lust dazu, aber ich sah keine Alternative. Ich wußte, daß er wahrscheinlich irgendwo an einer Theke hockte und sich bedauerte. Das ganze Gerede, er sei ein völlig neuer Mensch, wie lange hatte es gedauert? Sieben Tage? Ich sollte ihn seinem Schicksal überlassen, dachte ich. Laß ihn morgens nach Hause kriechen und erzähl ihm dann irgendwann im Laufe des Tages, daß er im Telefonbuch unter Anonyme Spieler nachgucken soll. Aber das kann ich nicht machen. Ich habe Mrs. Fulton versprochen, ihn zu finden.
Und dies Gefühl. Dies Kribbeln entlang der Wirbelsäule. Ich wünschte, daß es verschwände. Es dachte nicht daran.
Ich schaute in die beiden Restaurants in Brimley. Dann fuhr ich in östlicher Richtung zurück zum Soo und ging ins Mariner’s Tavern. Ich wußte, daß das seine Kneipe war, wenn er mit Tony Bing Wetten abschloß. Drinnen war munterer Samstagabendbetrieb, aber kein Edwin.
Es muß etwa zwanzig Kneipen in Sault Ste. Marie geben. Ich fand jede, von der ich wußte, und entdeckte sogar noch ein paar neue. Zuerst sah ich immer auf den Parkplätzen nach seinem silbernen Mercedes und warf dann rasch einen Blick nach drinnen, für den Fall, daß er den Wagen irgendwo hatte stehenlassen. Ich hatte das selbst mehrmals damals in Detroit gemacht, als ich die Polizei und meine Frau mich verlassen hatte. In einer Kneipe fing ich an, saß eine Weile da und trank, bis ich das Gefühl bekam, irgendwie sei das nicht der richtige Platz. Dann ging ich zur nächsten. Gegen Ende des Abends ging ich dann nur noch durchs Dunkel, die Straße entlang aufs nächste Licht zu. Am nächsten Morgen mußte ich dann mein Auto suchen.
Als mir im Soo die Kneipen ausgegangen waren, fuhr ich wieder zum Kewadin Casino und sah an allen Tischen nach. Ich fragte zwei der Aufseher, ob sie ihn an diesem Abend dort gesehen hätten. Sie hatten nicht.
Einer Eingebung folgend entschloß ich mich, nach St. Ignace zu fahren und im dortigen Casino nach ihm zu suchen. Ich mußte dafür eine gute Stunde nach Süden fahren, aber immerhin unternahm ich etwas. Ich fuhr die ganze Strecke auf der Interstate 75, über die Grenze ins Mackinac County. Inzwischen war es schon fast Mitternacht und kaum noch Verkehr. Ich sah einen Wagen mit einem ans Heck gebundenen Stück Rotwild; seine toten Augen starrten mich beim Überholen an. Die Glut einer Zigarette leuchtete im Seitenfenster des Beifahrersitzes.
Ich fand das Casino in St. Ignace, ein weiteres, das vom Sault-Stamm betrieben wird. Blinzelnd schritt ich durch den plötzlichen Glanz, kontrollierte jeden Tisch, verfluchte mich, weil ich meine Zeit mit so einer blöden Idee vertan hatte, stieg wieder in den Wagen ein und fuhr stracks zum Soo zurück. Wieder eine Stunde Fahrt, der Wind frischte auf und wurde zum Sturm, der vom See her blies.
Gott, bin ich müde. Warum mache ich das?
Meine Augen brannten. Ich fühlte mich, als hätte mich jemand mit einem Sandsack niedergeschlagen. Aber ich mußte ihn finden. Nicht bloß für Mrs. Fulton, sondern auch meinetwegen. Ich mußte ihn in Sicherheit wissen.
Das Telefon klingelte. Uttley war dran.
»Alex«, sagte er. »Gibt es irgendeine Spur?«
»Bis jetzt nicht«, antwortete ich. »Ich halte weiter Ausschau. Wie geht es Mrs.
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