Ein kalter Tag im Paradies – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Alex-McKnight-Serie (German Edition)
er. »Lassen Sie mich einen Kollegen fragen.«
Während er fort war, sah ich bei einigen Runden zu. Die Spieler stellten eine seltsame Mischung von Leuten aus dem Süden des Staates dar. Einer trug Sachen, wie man sie nur noch in Casinos sieht: ein blaues Sportjackett aus Polyester, einen Ring am kleinen Finger und einen Schlips so breit wie eine Hummerschürze. Der Mann neben ihm sah aus, als sei er geradewegs aus den Wäldern gekommen: die gesetzliche orangefarbene Jacke und Hose und der Jagdberechtigungsschein auf den Rücken geheftet. Beide schoben sie Stapel von Chips auf den Tisch und starrten auf ihre Karten, als wären sie hypnotisiert. Ich fragte mich, ob sie hier auch wie in Vegas zusätzlichen Sauerstoff in den Raum pumpten, damit die Spieler nicht müde würden.
Der Aufseher kam zurück.
»Mr. Fulton war hier«, erläuterte er. »Vor etwa zwei Stunden ist er gegangen. Wie ich gehört habe, muß er beim Weggehen eine ziemliche Vorstellung gegeben haben.«
»Na, großartig«, sagte ich. »Ihr habt ihn nicht zufällig durchs Fenster geworfen oder so? Nicht daß ich euch das zum Vorwurf machen würde.«
»Dazu kann ich nichts sagen. Wie ich schon sagte, bin ich gerade erst gekommen.«
»Ist Vinnie LeBlanc hier? Roter Himmel? Tut mir leid, ich weiß nicht, wie er sich bei euch hier nennt. Er lebt in meiner Nachbarschaft, nur ein Stück die Straße runter.«
»Roter Himmel, na so was. Das kriegt er noch zu hören. Nein, ich glaube, er hat gerade Essenspause und ist gleich wieder da.«
Ich bedankte mich bei dem Mann und ging. Draußen sog ich die Nachtluft tief ein. Der Casinolärm schwirrte mir noch durch den Kopf. Von Westen her traf mich eine kalte Windböe, die nach Regen roch.
Auf der Six Mile Road raste ich zur Stadt zurück und hoffte, daß ich ihm bei seiner Runde durch die Casinos dicht auf den Fersen wäre. Kurz vor dem Ziel klingelte mein Handy. Ich hatte durchaus so meine Vorstellung, wer das sein könnte, meldete mich aber trotzdem.
»McKnight, was in drei Teufels Namen stimmt denn jetzt wieder nicht?«
»Chief Maven, das ist aber eine Überraschung.«
»Sie müßten längst in Ihrer Hütte sein.«
»Werde ich auch. Ich muß nur erst noch Edwin finden.«
»Verdammt noch mal, McKnight, seid ihr ein schwules Paar oder so was?«
»Würde Sie das stören, Chief? Ich meine, wenn ich schon vergeben wäre?«
»Ach, ficken Sie sich doch selbst, McKnight!«
»Auch Ihnen wünsche ich eine schöne Nacht, Chief.«
Das Casino lag direkt vor mir. Ich schaltete ab, bevor er noch etwas sagen konnte.
Das Kewadin Casino liegt direkt in Sault Ste. Marie, auf einem kleinen Stück Land, das dem Sault-Stamm gehört. Es sind Chippewas, genau wie der Bay-Mills-Stamm, aber sie sind weniger traditionsbewußt und nehmen es mit der Abstammung nicht ganz so genau. Und sie üben bedeutend weniger Zurückhaltung, wenn sie Casinos bauen. Das Kewadin ist riesig, mit gigantischen Dreiecken auf der Fassade, die an Tipis erinnern sollen. Das verdammte Ding kann man zehn Meilen weit sehen. Dazu gehören ein Vier-Sterne-Hotel, Live-Shows jeden Abend und aller erdenkliche Schnickschnack.
Ich sah auf die Uhr. Es war fast schon neun. Okay, Edwin, irgendwo hier mußt du sein. Aus dem anderen Schuppen bist du schon rausgeflogen, und dies ist das einzige andere Glücksspiel-Etablissement in der Stadt. Ich begann meine Suche mit den Reihen der Siebzehnundvier-Tische. Ich mußte jeden einzelnen kontrollieren, auch die, wo um fünf Dollar gespielt wurde. Dort fing er gerne an, um zu sehen, wie an diesem Abend die Karten für ihn fielen. Mir fiel ein, wie ich ihm einmal gesagt hatte, er solle doch statt dessen auf der Fahrt zum Casino Fünf-Dollar-Scheine aus dem Fenster werfen. Der Effekt sei derselbe.
Nirgends eine Spur von ihm. Ich warf einen raschen Blick auf die Roulett- und die Würfeltische. Gelegentlich wagte er hier aus reiner Verzweiflung einen Versuch, wenn er das Gefühl hatte, sein Glück brauche einen kleinen Anstoß. Er war nirgendwo zu sehen.
Ich wußte nicht, was ich machen sollte. Ich ging zwischen den beiden großen Sälen hin und her und sah noch einmal an allen Siebzehnundvier-Tischen nach. Beim Pferderennspiel machte ich eine kleine Pause und sah einige Minuten lang zu. Es war von über zwanzig Personen umgeben; jeder Stuhl war besetzt, und alle sahen zu, wie die kleinen mechanischen Pferde auf der Rennbahn ihre Runden drehten. Die Pferdchen waren wenig über fünf Zentimeter groß und wurden
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