Ein Kampf um Rom
herabgefallen, mein Kind‹, klagte ich. ›Nein‹, sagte er, ›nicht gefallen, geworfen.‹ Ich war starr vor Entsetzen.
›Calpurnius‹, hauchte er, ›trat plötzlich um die Felsecke, wie ich auf die Vipern einhieb. ›Komm mit mir‹, sagte er und griff
nach mir. Er sah bös aus und falsch. Ich sprang zurück. ›Komm‹, sagte er, ›oder ich binde dich.‹ ›Mich binden!‹ rief ich.
›Mein Vater ist der Goten König und der deine. Wag es und rühr mich an!‹ Da ward er ganz wütig und schlug nach mir mit dem
Stock und kam näher; ich aber wußte, daß in der Nähe unsere Knechte Holz fällten, und schrie um Hilfe und wich zurück bis
an den Rand der Felsen. Erschrocken sah er sich um. Denn die Leute mußten mich gehört haben: ihre Axtschläge ruhten plötzlich.
Doch plötzlich vorspringend, sagte er: ›Stirb, kleine Natter!‹ und stieß mich über den Fels.‹«
Teja biß die Lippen.
»O der Neiding«, rief Hildebad.
Und Witichis riß sich mit einem Schrei des Schmerzes los.
»Mach’s kurz«, sagte Teja.
»Er verlor wieder die Sinne. Ich trug ihn auf meinen Armen nach Hause zur Mutter. Noch einmal schlug er die Augen auf, in
ihrem Schoß. Ein Gruß an dich war sein letzter Hauch.«
»Und mein Weib – ist sie nicht verzweifelt?«
»Nein, Herr, das ist sie nicht: die ist von Gold, aber auch von Stahl. Wie der Knabe die Augen geschlossen, zeigte sie schweigend
zum Fenster hinaus, nach rechts. Ich verstand sie: dort stand des Mörders Haus. Und ich waffnete alle deine Knechte und führte
sie hinüber zur Rache: und wir legten den ermordeten Knaben auf deinen Schild, und trugen ihn in unsrer Mitte zur Mordklage.
Und Rauthgundis ging mit, ein Schwert in der Hand, hinter der Leiche. Vor dem Tor der Villa legten wir den Knaben nieder.
Er selbst war entflohn auf dem schnellsten Roß zu Belisar. Aber sein Bruder und sein Sohn und zwanzig Sklaven standen im Hof:
sie wollten eben zu Pferd steigen und ihm folgen. Wir erhoben dreimal den Mordruf. Dann brachen wir ein. Wir haben sie
alle
erschlagen, alle: und das Haus niedergebrannt über den Bewohnern. Frau Rauthgundis aber sah dem allen zu, an der Leiche Wacht
haltend, auf ihr Schwert gestützt, und sprach kein Wort. Und mich schickte sie tags darauf voraus, nach dir zu suchen. Sie
folgte mir bald darauf, sowie sie die kleine Leiche verbrannt. Und da ich einen Tag verloren, durch die Rebellen vom nächsten
Wege abgesperrt, so kann sie stündlich dasein.«
»Mein Kind, mein Kind, mein armes Weib. Das ist der erste Ertrag, den mir diese Krone bringt. Und nun«, rief er mit aller
Heftigkeit des Schmerzes den Alten an, »willst du noch das Grausame fordern, das Untragbare?«
Hildebrand stand langsam auf: »Nichts ist untragbar, was notwendig ist. Auch der Winter ist tragbar. Und das Alter. Und der
Tod. Sie kommen, ohne zu fragen, wollt ihr’s tragen? Sie kommen. Und wir tragen’s. Weil wir müssen. Aber ich höre Frauenstimmen
und rauschende Gewande. Gehen wir.«
Witichis wandte sich von ihm zur Tür. Da stand, unter dem Zeltvorhang, in grauem Gewand und schwarzem Schleier, Rauthgundis,
sein Weib, eine kleine, schwarze Marmorurnean die Brust drückend. Ein Ruf liebereichen Schmerzes und schmerzreicher Liebe:– – und die Gatten hielten sich umfangen. Schweigend
verließen die Männer das Zelt.
Sechzehntes Kapitel
Draußen hielt Teja den Alten leise am Mantel zurück:
»Du quälst den König umsonst«, sagte er. »Er wird nie dareinwilligen. Er kann’s auch nicht. Jetzt am wenigsten.«
»Woher weißt du? –« unterbrach der Greis.
»Still, ich ahn’ es: wie ich alles Unglück ahne.«
»Dann wirst du auch einsehen, daß er muß.«
»Er,– er wird’s nie tun.«
»Aber – du meinst sie selbst?«
»Vielleicht!«
»Sie wird«, sagte Hildebrand.
»Ja, sie ist ein Wunder von einem Weib«, schloß Teja.
Während in den nächsten Tagen das jetzt kinderlose Paar seinem stillen Schmerze lebte und Witichis kaum sein Zelt verließ,
geschah es, daß die Vorposten der königlichen Belagerer und die Außenwachen der gotischen Besatzung von Ravenna, den eingetretnen
tatsächlichen Waffenstillstand benutzend, in manchfachen Verkehr traten. Sie warfen sich, scheltend und zankend, gegenseitig
die Schuld an diesem Bürgerkriege vor. Die Belagerer klagten, daß die Besatzung in der höchsten Not des Reiches dem gewählten
König der Goten seine Königsburg verschlossen. Die Ravennaten schmähten auf
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