Ein Kampf um Rom
Goten zahlreiche Streifscharen
nachgesandt, sie zu verfolgen, zu beunruhigen und insbesondre die zahlreichen Castelle, Burgen und Städte zu übernehmen, in
welchen die Italier die barbarischen Besatzungen vertrieben und erschlagen hatten, oder, von keiner Besatzungim Zaum gehalten, einfach zum »Kaiser der Romäer«, wie er sich auf griechisch nannte, abgefallen waren.
Solche Vorfälle ereigneten sich, besonders seit der gotische König in vollem Rückzug und nach Ausbruch der Rebellion die gotische
Sache halb verloren schien, fast alle Tage. Teils mit, teils ohne den Druck oder die Erscheinung byzantinischer Truppen vor
den Toren, ergaben sich viele Schlösser und Städte an Belisar. Da nun die meisten doch lieber den Schein einer Nötigung abwarteten,
um, falls die Goten gleichwohl unverhoft wieder siegen sollten, eine Entschuldigung zu finden, war dies für den Feldherrn
ein weiterer Grund, solche kleine Abteilungen, meist aus Italiern und Byzantinern gemischt, unter Führung der Überläufer,
welche der Gegend und der Verhältnisse kundig waren, auszusenden.
Und diese Scharen, ermutigt durch den fortgesetzten Rückzug der Goten, wagten sich weit ins Land: jedes gewonnene Castell
wurde ein Ausgangspunkt für weitere Unternehmungen. Eine solche Streifschar hatte jüngst auch Castellum Marcianum gewonnen,
welches bei Caesena, ganz in der Nähe des königlichen Lagers, eine Felshöhe oberhalb des großen Pinienwaldes krönte.
Der alte Hildebrand, an welchen Witichis seit seiner Verwundung den Oberbefehl abgegeben, sah diese gefährlichen Fortschritte
der Feinde und den Verrat der Italier mit Ingrimm: und da er ohnehin die Truppen nicht gegen Herzog Guntharis oder gegen Ravenna
beschäftigen wollte,– er hoffte auf eine friedliche Lösung des Knotens – beschloß er, gegen diese kecken Streifscharen einen
züchtigenden Streich zu tun. Späher hatten gemeldet, daß, am Tage nach Rauthgundens Ankunft im Lager, die neue, byzantinische
Besatzung von Castellum Marcianum sogar Caesena, diese wichtige Stadt, im Rücken des gotischen Lagers, zu bedrohen wagte.
Grimmig schwur der alte Waffenmeister diesen Frechen das Verderben.
Er selbst stellte sich an die Spitze einer Tausendschaft von Reitern, welche in der Stille der Nacht, Stroh um die Hufe der
Rosse gewickelt, in der Richtung gegen Caesena aufbrachen. Der Überfall gelang vollkommen. Unbemerkt gelangten siebis in den Wald, an den Fuß des hoch auf dem Fels gelegnen Castells. Hier verteilte Hildebrand die Hälfte seiner Reiter auf
alle Seiten des Waldes, die andre Hälfte ließ er absitzen und führte sie leise die Felswege des Castells hinan. Die Wache
am Tor ward überrascht, und die Byzantiner, von einer überlegnen Macht überfallen, flohen nach allen Seiten den Fels hinab
in den Wald, wo der große Teil von den Berittnen gefangen wurde.
Die Flammen des brennenden Schlosses erleuchteten die Nacht. Eine kleine Gruppe aber zog sich fechtend über das Flüßchen am
Fuß des Felsens zurück, über welches nur eine schmale Brücke führte. Hier wurden die verfolgenden Reiter Hildebrands von einem
einzelnen aufgehalten, einem Anführer, nach dem Glanz der Rüstung zu schließen. Dieser hochgewachsne und schlanke, wie es
schien noch junge Mann – sein Visier war dicht geschlossen – focht wie ein Verzweifelter, deckte die Flucht der Seinen und
hatte schon vier Goten niedergestreckt. Da kam der alte Waffenmeister zur Stelle und sah eine Weile den ungleichen Kampf mit
an.
»Gib dich gefangen, tapfrer Mann!« rief er dem einsamen Krieger zu, »dein Leben sichr’ ich dir.«
Bei diesem Ruf zuckte der Byzantiner zusammen: einen Augenblick senkte er das Schwert und sah auf den Alten. Aber schon im
nächsten Moment sprang er wütend vor und wieder zurück: er hatte dem vordersten Angreifer mit gewalt’gem Streich den Arm vom
Leibe geschlagen. Entsetzt wichen die Goten etwas zurück. Hildebrand ergrimmte.
»Drauf!« schrie er, vorspringend, »jetzt keine Gnade mehr! Zielt mit den Speeren.«
»Er ist gefeit gegen Eisen!« rief einer der Goten, ein Vetter Tejas, »dreimal hab’ ich ihn getroffen – er ist nicht zu verwunden.«
»Meinst du, Aligern?« lachte der Alte grimmig, »laß sehen, ob er auch gegen Stein gefeit ist.«
Und er schleuderte seinen steinernen Wurfhammer – er war fast der einzige, der nicht von dieser heidnisch alten Waffe gelassen
– sausend gegen den Byzantiner. Die wuchtige Steinaxt schlug
Weitere Kostenlose Bücher