Ein Kampf um Rom
Witichis, der der Tochter der Amaler nicht gönne,
was ihr gebühre.
Einer solchen Unterredung hörte unbemerkt der alte Graf Grippa von Ravenna selber zu, der die Runde auf den Wällen machte.
Plötzlich trat er vor und rief zu den Leuten des Witichis hinunter, die ihren König lobten und rühmten:
»So? Ist das auch edel und königlich gehandelt, daß er statt aller Antwort auf unsern billigen Spruch Sturm lief wie ein Rasender?
Und hatte doch ein so leichtes Mittel, das Gotenblut zu sparen! Wir wollen ja nur, daß Mataswintha Königin sei! Nun,kann er deshalb nicht König bleiben? Ist’s ein zu hartes Opfer, mit dem schönsten Weib der Erde, mit der Fürstin Schönhaar,
von deren Reiz die Sänger singen auf den Straßen, Thron und Lager zu teilen? Mußten lieber so viel tausend tapfrer Goten sterben?
Nun, er soll nur so fortstürmen! Laß sehn, was eher bricht: sein Eigensinn oder diese Felsen.«
Diese Worte des Alten machten den größten Eindruck auf die Goten vor den Wällen. Sie wußten nichts zu erwidern zu ihres Königs
Verteidigung. Von seiner Ehe wußten sie sowenig wie das ganze Heer: daran hatte auch Rauthgundens Anwesenheit im Lager wenig
geändert: denn, wahrlich, nicht gleich einer Königin war sie eingezogen. In großer Erregung eilten sie zurück ins Lager und
erzählten, was sie vernommen, wie der Eigensinn des Königs ihre Brüder hingeopfert.
»Darum also hat er die Botschaft aus der Stadt verheimlicht!« riefen sie.
Bald bildeten sich in jeder Gasse des Lagers Gruppen, lebhaft bewegte, die anfangs leiser, bald immer lauter die Sache besprachen
und auf den König schalten. Die Germanen jener Zeit behandelten ihre Könige mit einem Freimut der Rede, welcher die Byzantiner
entsetzte. Hier wirkten der Verdruß über den Rückzug von Rom, die Schmach der Niederlage vor Ravenna, der Schmerz um die geopferten
Brüder, der Zorn über sein Geheimtun zusammen, einen Sturm des Unwillens gegen den König zu erregen, der deshalb nicht minder
mächtig, weil er noch nicht offen ausgebrochen.
Nicht entging diese Stimmung den Heerführern, wenn sie durch die Gassen des Lagers schritten und bei ihrem Nahen die Drohworte
kaum mehr verstummten. Aber sie konnten die Gefahr nur entfesseln, wenn sie strafend sie beim Namen nannten. Und oft, wenn
Graf Teja oder Hildebad beschwichtigend einschreiten wollten, hielt sie der alte Waffenmeister zurück.
»Laßt es nur noch anschwellen«, sagte er: »wenn’s genug ist, werd’ ich’s dämmen. Die einzige Gefahr wäre«, murmelte er halblaut
vor sich hin –
»Daß uns die drüben im Rebellenlager zuvorkämen«, sagte Teja.
»Richtig, du alles Erratender. Aber das hat gute Wege. Überläufer erzählen, daß sich die Fürstin standhaft weigert. Sie droht,
sich eher zu töten, als Arahad die Hand zu reichen.«
»Pah«, meinte Hildebad, »daraufhin würd’ ich’s wagen.«
»Weil du das leidenschaftliche Geschöpf nicht kennst, das Amelungenkind. Sie hat das Blut und die Feuerseele Theoderichs und
wird auch uns am Ende böses Spiel machen.«
»Witichis ist ein andrer Freier als jener Knabe von Asta«, flüsterte Teja.
»Darauf vertrau’ ich auch«, meinte Hildebad.
»Gönnt ihm noch einige Tage Ruhe«, riet der Alte. »Er muß seinem Schmerz sein Recht antun: eh’ ist er zu nichts zu bringen.
Stört ihn nicht darin: laßt ihn ruhig in seinem Zelt und bei seinem Weibe. Ich werde sie bald genug stören müssen.«
Aber der Greis sollte bald genötigt sein, den König früher und anders, als er gemeint, aus seinem Schmerz aufzurufen. Die
Volksversammlung zu Regeta hatte gegen diejenigen Goten, welche zu den Byzantinern übergingen, ein Gesetz erlassen, welches
schimpflichen Tod drohte. Solche Fälle kamen zwar im ganzen selten, aber doch in den Gegenden, wo wenige Germanen unter dichter
Bevölkerung lebten und häufige Mischheiraten stattgefunden hatten, häufiger vor.
Der alte Waffenmeister trug diesen Neidingen, welche sich und ihr Volk entehrten, ganz besonderen Zorn. Er hatte jenes Gesetz
beantragt gegen Heereslitz und Fahnenwechsel. Noch war eine Anwendung desselben nicht nötig gewesen, und man hatte der Bestimmung
fast vergessen. Plötzlich sollte man ernst genug daran gemahnt werden.
Belisar selbst hatte zwar Rom mit seinem Hauptheer noch nicht verlassen. Aus mehr als Einem Grunde wollte er vorläufig noch
diese Stadt zum Stützpunkt all seiner Bewegungen in Italien machen. Aber er hatte den weichenden
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